Streitschrift für Anarchosyndikalismus, Unionismus und revolutionären Syndikalismus

Die Opfer einer politischen Narrheit.

Karl Roche, 1923 – zum Hamburger KPD-Aufstand

Die Opfer einer politischen Narrheit.

Am 23. Oktober 1923 hatten die Hamburger Parteikommunisten einen Großkampftag nach Ludendorffschen Muster veranstaltet. Ist es auch Wahnsinn – es hat Methode. Man könnte die Revolutionsspielerei als harmlose Kinderei bezeichnen, deckten nicht Proletarierleichen dabei die Straßen.

Es sollte die Eroberung der Staatsmacht wieder einmal vollzogen werden. Und was nachher geschehen sollte – deswegen läßt sich kein Parteimensch auch nur ein graues Haar wachsen. Die Arbeiter- und Bauernregierung sollte in Hamburg zuerst etabliert werden, und wie ein solches Regierungsgebilde dann zu regieren hätte, darüber macht sich kein Parteikommunist irgendwie Kopfschmerzen. Man macht in Rebellion eben der Rebellion wegen und nennt dieses verrückte Menschenschlachten Revolution. Ist es auch Wahnsinn, es hat Methode.

Natürlich waren die Hamburger Kommunisten nicht in dem Maße närrisch, lediglich der Dame Hammonia die »Vereinigten Sowjetstaaten« auf die Nase setzen zu wollen: die »nordische Wasserkante« war als Operationsbasis gedacht, wo »Sowjet-Deutschland« ausgerufen und die »Revolution«, wie der Parteikommunismus sie sich vorstellt, ihren Ausgang haben sollte. Jedoch in Kiel, Bremen und Bremerhaven blieb die Bewegung gleich in den Anfängen stecken. Nur in Hamburg und einigen Vororten wurde die Rebellionsnarrheit zur blutigen Wahrheit. Vielleicht wäre auch hier der Ausbruch vermieden worden, wenn hier nicht die gegenwärtigen sozialdemokratischen Regierer ihn bewußt gefördert hätten.

Die ehemaligen Bonzen und nunmehrigen Staatsmännekens mußten es wissen, und wissen es auch bestimmt, daß Verfolgungen und Verbote in einer politisch erregten Zeit Ausbrüche der Leidenschaft und des Fanatismus herbeiführen. Es standen einige Senatorensessel auf dem Spiel. Und eben, weil sie dieses wissen, wendeten sie skrupellos die Mittel der Verfolgung und der Verbote an. Seit Monaten propagierten die Kommunisten den reinen Arbeitersenat. Die Mitglieder beider Arbeiterparteien wollten und wollen das gemeinsame Handeln. Sogar die Hamburger Gewerkschaftskommission, dieses Gebilde für Unternehmerschutz und Arbeiterverrat, mußte in parteieinigenden Bestrebungen machen, denn deren sind zuviel, die davonlaufen. Käme es zu einer Einigung der Parteimitglieder, dann müßten einige Inhaber der Senatorensessel gegen Kommunisten ausgewechselt werden. Das betrübt ohne weiteres jedes Bonzenherz. Darum ist die »Hamburger Volkszeitung«, das Parteiorgan der Kommunisten, seit Wochen verboten, darum wurden alle öffentlichen Aeußerungen der K.P.D. gewaltsam unterdrückt. Die ohnehin fanatisierten Angehörigen der K.P.D. in Hamburg waren von den sozialdemokratischen Regierern absichtlich und gewissenlos zur Verzweiflung und zur Revolte getrieben, um zu verhindern, was in Sachsen-Thüringen geschah: die Verdrängung sozialdemokratischer Regierer durch eine Einigung für gemeinschaftliches parlamentarisches Handeln.

Außerdem ist die Elendssituation im Wirtschaftsgebiet Hamburg am Zerspringen. Die Werftarbeiter verdienten nicht mehr das trockene Brot, und die Werftgewaltigen erklären ihren Arbeiterräten: »Die Arbeiter hungern noch nicht.« Die Blohm und Konsorten dürfen sich dieser perversen Lust hingeben, denn sie wissen, daß sie unter dem Schutz der Gewerkschaftsführer stehen. Die Werften liegen nun seit einer Woche still. Auch im Hafen ruht die Arbeit. Man unterhandelt um wertbeständige Löhne. Im Hafen heulen die Rudimente der ehemaligen deutschen Flotte: einige Torpedoboote, und demonstrieren der Hamburger Arbeiterschaft die Wunder der sozialen Demokratie.

Diese Elendssituation ist für einen Kommunistenputsch wie geschaffen. Und so schlugen sie am 23. Oktober beim Morgengrauen los. Es wurden die Wachen der Außenbezirke im Handstreich genommen. In den preußischen Ort Schiffbeck wurde der »Bund der Sowjetstaaten« ausgerufen. In der inneren Stadt sollte durch Ansammlungen die »Sipo« abgehalten werden. Daß von außerhalb Reichswehr anrücken konnte, dagegen war vorgesorgt. Der Revolutionsplan war verdammt gescheit – wenn ihm nicht eine falsche Voraussetzung angehaftet hätte. Die Erstürmung der Wachen sollte die Massen in Bewegung setzen, die zum Rathaus ziehen und vielleicht Hense durch Thälmann und Grünwald durch Urbahns auswechseln sollten. Und das blieb aus. Die »klassenbewußten« Hamburger Arbeiter wollen gar keine neue Regierung: sie wollen Brot und Fett.

Die Masse der Streikenden sah sich die blutigen Vorgänge aus der Vogelperspektive an und wahrte ihre eigene Haut. So mußte der Putsch verbluten. Das Feuergefecht eines Tages brachte »Ruhe« wie zuvor. Wie viele Arbeiterleichen auf der Walstatt blieben, darüber berichtet die Hamburger Presse nichts. Man zählt nur die Namen der gefallenen und verwundeten »Sicherheitsmannschaften« auf.

Nun sind die kommunistischen Arbeiter wieder um eine Illusion ärmer und um eine Erfahrung reicher. So geht es nicht: die »Revolutionspsychose« der Massen ist am Erlöschen. Fanatiker, die es versuchen, unter Einsetzung ihres Lebens einen neuen »Staatsumsturz« herbei zuführen, kann man achten, weil sie Idealisten sind. Politisch sind sie Narren, als Revolutionäre sind sie Schwärmer. Schälen wir die Dinge, wie sie in Deutschland liegen, klar heraus:

Das Deutsche Reich Bismarckscher Schöpfung liegt in der Agonie. Es war nicht gewachsen aus wirtschaftlichen und kulturellen Notwendigkeiten heraus, es war zusammen gekittet mit Blut und Eisen. Das deutsche Eisen mußte versagen gegen die Wehrmacht der ganzen Welt, so muß das Reich mit Naturnotwendigkeit zusammenbrechen. Die »deutschen Stämme« fühlen sich nicht mehr miteinander verbunden, nachdem daß »Heil dir im Siegerkranz« verklungen. Die noch vom furor teutonicus besessen sind, sind jene, denen der Zusammenbruch des alten Militarismus die wirtschaftliche Existenz nahm.

»Held« Poincaré macht mit grausamer Konsequenz das übrige und Baldwin sieht befriedigt zu.

Der Zerfall des Reiches ist nicht aufzuhalten. Und diesen Zerfall wollen die Arbeiterparteien verhindern. Das wollen nicht nur die Sozialdemokraten, das wollen auch die Kommunisten. Sie stellen die Reichseinheit über die Arbeiterinteressen. Darum verhungern die Arbeiter bei vollen Scheunen. Denn ihre Organisationen greifen aus Furcht vor dem Zerfall der Reichseinheit nicht die »Substanz«, die Reichen, an. Auch die Kommunisten würden es nicht tun, kämen sie zur politischen Macht. Sie würden fortwursteln, wie die Sozialdemokraten fortwursteln.

Es gibt nur einen Weg zur sozialen Revolution – das ist die Loslösung des Arbeiterdenkens vom Staat, ist die Wandlung der Psychologie des Arbeiters von der Autorität zur Freiheit. Das Ziel ist ein anderes [als das], wofür die kommunistischen Arbeiter Blut und [Leben] opfern: es ist die Ordnung ohne staatlichen Zw[ang], ist der staatenlose, herrschaftslose Sozialismus.

Isegrimm

Der Syndikalist (Berlin), Jg. 5/1923, Nr. 43/44

Hamburger KPD-Aufstand 23. Oktober 1923

Wir sind nachtragend, deshalb jetzt erst von unserer Seite zwei Beiträge zum Hamburger KPD-Aufstand am 23. Oktober 1923:

Hamburger KPD-Aufstand 23. Oktober 1923

Karl Roche: Die Opfer einer politischen Narrheit.
(siehe separaten Beitrag)

und

Flugblatt: Die wirklichen Lehren des Hamburger Aufstands 1923

Leichen pflastern den Weg der KPD im Oktober 1923 in Barmbek …

Und dann gab es da noch ein interessantes Flugblatt mit entsprechender Intervention auf einer Veranstaltung der Marxistische Organisation „Offensiv“ (im Centro Sociale auf St. Pauli) zum Hamburger Aufstand. Das Flugblatt gibt’s hier als pdf … Andere Hamburger Stalinisten marschierten gar in Barmbek mit Lkw und Thälmann-Bildnis auf, dem „Führer seiner Klasse“ …

Anarchisten hinter Gitter

In Sommer 1921 war viel los im ›Roten Moskau‹. Gleich zwei internationale Kongresse tagten, um die Weltrevolution voranzutreiben: der 3. Weltkongreß der Kommunistischen Internationale (KI) und der Gründungskongreß der Roten Gewerkschafts-Internationale (RGI). Dementsprechend war die Stadt voll von Delegierten revolutionärer Organisationen und Bewegungen aus allen Teilen der Welt.

Das drang sogar in die Verliese, in denen die Tscheka, die bolschewistische Geheimpolizei, Angehörige der russischen anarchistischen und anarchosyndikalistischen Bewegung sowie der Partei der Linken Sozialisten-Revolutionäre eingeknastet hatte. Die dort Inhaftierten organisierten einen Hungerstreik und schafften es, daß die ausländischen Delegierten davon erfuhren.

Für die Bolschewiki war das eine überaus unangenehme Situation. Während die meisten TeilnehmerInnen am Kongreß der KI mit den ›kleinbürgerlichen Anarchisten‹ nicht besonders viel am Hut hatten, sah das für den RGI-Kongreß etwas anders aus. Delegierte syndikalistischer, industrialistischer und unionistischer Gewerkschaften gründeten ein »Komitee zur Freilassung revolutionärer politischer Gefangener in Rußland«, das mit der bolschewistischen Führung verhandelte, um die Befreiung der inhaftierten Genossinnen und Genossen zu erreichen. Diese Schrift dokumentiert die Arbeit des Komitees.

Inhalt
Vorwort
Notiz zu den Texten

Dokument 1
Grigorii Petrovitsch Maximoff: Die Haltung der Kommunistischen Partei Rußlands, der Kommunistischen Internationale und der Roten Gewerkschafts-Internationale gegenüber Anarchisten und Syndikalisten (ca. 1925)

Dokument 2
Allrussische Konföderation der Anarcho-Syndikalisten Aufruf: An die Arbeiter aller Länder (Ende April oder Anfang Mai 1920)

Dokument 3
Das Exekutiv-Büro der Allrussischen Konföderation der Anarcho-Syndikalisten: An das Exekutiv-Komitee der Kommunistischen Internationale (Anfang November 1920)

Dokument 4
Gaston Leval: Anarchisten hinter Gittern (ca. 1969)

Dokument 5
FAUD: Streiflichter aus Moskau (13. August 1921)

Dokument 6
Gordon Cascaden: [Das Komitee zur Freilassung revolutionärer politischer Gefangener, die Partei der Linken Sozialisten-Revolutionäre und Marija Spiridonowa] (1922)

Dokument 7
Manuel Díaz Ramírez: Gespräch mit Lenin (1957)

Dokument 8
Bernhard Reichenbach: [Das Komitee bei Lenin] (1970)

Dokument 9
Leo Trotzki: [Brief an die Delegation bei Lenin] (12. Juli 1921)

Dokument 10
Das Abkommen mit den Bolschewiki (13. Juli 1921)

Dokument 11
Maurice Disch: [Bucharins Rede auf dem RGI-Kongreß I] (1921)

Dokument 12
Maurice Disch: [Bucharins Rede auf dem RGI-Kongreß II] (1921)

Dokument 13
William Z. Foster: [Bucharins Rede auf dem RGI-Kongreß III] (1922)

Dokument 14
Gordon Cascaden: [Bucharins Rede auf dem RGI-Kongreß IV] (1922)

Dokument 15
Abram Feldman: [Fragebogen für das International Committee for Political Prisoners] (1925)

Anhang:

Ausgewählte Biographien
Martyrs of Bolshevism
Bulletin des Vereinigten Komitees
Bulletin des Relief Fund
Literatur und Quellen
Abkürzungen
Zum Autor

Jonnie Schlichting: Anarchisten hinter Gittern in ›Sowjet‹-Rußland 1921.
Edition Syfo Nr. 10, 112 Seiten, A5, fadengeheftet, Spendenempfehlung: 5 Euro (plus Porto und Versand)
Info und Bestellung: syfo.info
institut@syndikalismusforschung.info
Herausgegeben vom Institut für Syndikalismusforschung | Bremen | 2023

https://syndikalismusforschung.wordpress.com/2023/09/23/neuerscheinung-jonnie-schlichting-anarchisten-hinter-gittern-in-sowjet-rusland/#more-3186


Anarchisten im »Roten Bollwerk«

Anfang November 2022 erschien der Sammelband „Mit revolutionären Grüßen – Postkarten der Hamburger Arbeiterbewegung 1900-1945“, VSA Hamburg. Im November gab es in Hamburg vier Ausstellungen.

René Senenko (Hrsg.)
Postkarten der Hamburger Arbeiterbewegung 1900–1945 für eine Welt ohne Ausbeutung, Faschismus und Krieg

288 Seiten | Hardcover | Farbe | In Kooperation mit: Olmo e.V. – Verein für Kultur und Erinnerungsarbeit zwischen Ohlsdorf und Ochsenzoll, Geschichtswerkstatt Eimsbüttel, Rosa-Luxemburg-Stiftung u.a. | 2022 | EUR 24.80 | ISBN 978-3-96488-108-3
https://www.vsa-verlag.de/nc/buecher/detail/artikel/mit-revolutionaeren-gruessen/

Hier findet ihr auch das Inhaltsverzeichnis und eine Leseprobe.

Wir veröffentlichen unseren Beitrag für dieses Buch. Er ist im Buch unwesentlich verändert.

Wir möchten auch auf den Beitrag von Werner Skrentny hinweisen: Ein (fast) vergessener Künstler – Hein Semke aus Hamburg-St.Pauli

Anarchisten im »Roten Bollwerk«

»Anarchie ist nicht Chaos, sondern Ordnung ohne Herrschaft

»Anarchie ist Gesetz und Freiheit ohne Gewalt.« – Immanuel Kant (1798)
»Alle Sozialisten verstehen unter Anarchie dieses: Ist einmal das Ziel der proletarischen Bewegung, die Abschaffung der Klassen erreicht, so verschwindet die Gewalt des Staates, welche dazu dient, die grosse produzierende Mehrheit unter dem Joche einer wenig zahlreichen ausbeutenden Minderheit zu halten, und die Regierungsfunktionen verwandeln sich in einfache Verwaltungsfunktionen.« – K. Marx & F. Engels (1872)
»Anarchie ist nicht Chaos, sondern Ordnung ohne Herrschaft.« – Herbert Wehner (1923)

Anarchisten im ‚roten Bollwerk’
Ja, es gab sie, die Anhänger der Lehren von Bakunin und Kropotkin, in der sozialdemokratischen Hochburg, dem »roten Bollwerk« Hamburg.

Die Häfen von Hamburg-Altona waren schon während des Sozialistengesetzes der Umschlagplatz für sozialistische und anarchistische Literatur aus London. Johann Mosts revolutionär-sozialistische Freiheit und die anarcho-kommunistische Autonomie wurden von hier aus durch Genossen in das ganze Kaiserreich versandt. Ebenso Mosts Flugschrift »Die revolutionäre Sozialdemokratie« (1880) und das einseitige Flugblatt »Arbeiter« (März 1885), das vor allem August Reinsdorf verteidigte. Deren Verbreitung wurde natürlich durch die Polizeibehörde verboten. Im Januar 1893 ereilte auch Mosts »Die anarchistischen Kommunisten an das Proletariat« dies Schicksal.

Die Anarchisten zweifelten daran, dass über Wahlen und das Parlament der Sozialismus errungen werden konnte – sie setzten auf den sozialen Generalstreik. Sie kritisierten die Stellvertreterpolitik durch Gewerkschafts- und Parteiführer und propagierten die direkte Aktion der unmittelbar Betroffenen. Folgerichtig lehnten sie zentralistische, hierarchische Organisationsformen in der Arbeiterbewegung ab, die nur den Staat kopieren, und setzten dagegen eine föderalistische Organisierung auf der Grundlage der freien Vereinbarung.

Sie waren nicht viele, öfters auch untereinander zerstritten. Aber – sie waren in der großen Mehrzahl Proletarier: Arbeiter, Angestellte, Lohnabhängige. Damit unterschieden sie sich nicht von ihren sozialdemokratischen Klassengenossen. Und wie diese standen sie unter strengster Beobachtung einer hochwohllöblichen Obrigkeit, die oft und gern repressiv wurde und Aktivisten in »Staatspension« (Gefängnis, Zuchthaus) verschickte. Und sie wurden erbittert bekämpft von der örtlichen Sozialdemokratie, die der ungeliebten Kritik von links tunlichst jede Möglichkeit nahm, sich öffentlich zu äußern – durch Sprengung von Veranstaltungen oder Verhinderung derselben (»Saalabtreiben« hieß das).

Paul Schreyer und der »Kampf«
Der Küper Paul Schreyer (geb. 1886 in Zahna, Preußisch Sachsen) entwickelte sich, seit er 1905 nach Hamburg zog, zu einem der treibenden Aktivisten des Anarchismus im Grossraum der Hansestadt. Auf seine Initiative wurde 1907 der Anarchistische Lese- und Debattierklub Hamburg-Altona gegründet, der sich im August 1908 der Anarchistischen Föderation Deutschlands (AFD) anschloss. 1909 spaltete sich der Leseklub auf Betreiben von Carl Langer (von dem noch zu reden ist). Die Mehrheit des Klubs gründete im September 1909 die Anarchistische Föderation Hamburg und Umgebung (AFH). Schreyer übernahm ab Januar 1911 die Geschäftsführung der AFH. Die Berliner Politische Polizei resümierte in ihrer Jahresübersicht für 1912: »Die Hamburger Föderation, deren Seele Schreyer ist, hat rege gearbeitet

Seit 1911 hatte die AFH eine eigene Druckmaschine, auf der Broschüren, Flugblätter und Postkarten gedruckt wurden (siehe die Anti-Wahl-Postkarte »Mitbürger, zur Wahl«). U.a. erschienen 1911 und 1913 Ausgaben von Johann Mosts »Die Gottespest« (im Kaiserreich verboten und deshalb mit den falschen Verlagsangaben ›New York‹ bzw. ›London‹).

Seit Mai 1912 gab Schreyer für die AFH die monatlich erscheinende Zeitschrift Kampf heraus, als »Unabhängiges Organ für Anarchismus und Syndikalismus«. Bis zum Juli 1914 erschienen 25 Ausgaben, mit einer Auflage zwischen 2000 – 4000 Exemplaren. Die Berliner Politische Polizei bescheinigte dem Kampf: »Sein Inhalt ist trotz grammatikalischer Mängel volkstümlich, erhebt sich nicht über das geistige Niveau des einfachen Arbeiters …«.

In den letzten Jahren vor dem Ausbruch des 1. Weltkrieges war Schreyer auch im deutschen Kaiserreich eine der bekannten Figuren in der anarchistischen Bewegung, für die er reichsweit als Agitator auftrat.

Paul Schreyer emigrierte vor Beginn des I. Weltkrieges in die Schweiz, um seiner Einziehung zum Militär zu entgehen. Der Kampf musste bei Kriegsbeginn natürlich sein Erscheinen einstellen.

Im Dezember 1914 erschien in Kopenhagen Schreyers Schrift »Die Sozialdemokratie und der Krieg«, eine gründliche Abrechnung mit (nicht nur) der SPD. Die Schweiz lieferte Paul Schreyer 1915 widerrechtlich an das Kaiserreich aus, wo er wegen ‚Fahnenflucht‘ in den Knast gesteckt wurde. Die folterähnlichen Haftbedingungen ruinierten seine Gesundheit gründlich. Er starb noch während des I. Weltkriegs, am 26. April 1918, im Festungsgefängnis Spandau an einer Lungenentzündung.

Die Freie Vereinigung deutscher Gewerkschaften (FVdG)
Die Freie Vereinigung ging aus der lokalistischen Opposition des Halberstädter Gewerkschaftskongresses 1892 hervor. Sie gab sich 1897 eine eigene organisatorische Struktur und verstand sich als militante sozialdemokratische Richtungsgewerkschaft mit föderalistischer Struktur. Es waren die lokalistischen Hafenarbeiter, die den großen Streik im Hamburger Hafen von 1896/97 organisierten.

Der wachsende Druck der Zentralgewerkschaften unter Carl Legien auf die SPD sowie die immer schärfere Kritik der FVdG an der Nutzlosigkeit der Parlamentarismus und die Propagierung des revolutionären Generalstreiks führte 1908 zum Ausschluss der Mitglieder der FVdG aus der SPD wegen »Anarcho-Sozialismus«. Die FVdG näherte sich in der Folge dem revolutionären Syndikalismus an, dessen Vorbild die französische CGT war. Aus ihr ging dann Ende 1919 die Freie Arbeiter-Union Deutschlands (FAUD) hervor, die zeitweilig bis zu 150.000 Mitglieder gewerkschaftlich organisierte.

Seit 1908 öffnete sich die FVdG den Anarchisten – nicht immer ganz konfliktfrei mit der ‚alten Garde‘ der FVdG, denen noch einige sozialdemokratische ›Eierschalen‹ anhafteten. Aber sie gab den Anarchisten der ‚Roten Hauptstadt‘ die Chance, ihre Isolation zu durchbrechen. Mit dem Kampf hatten sie eine eigene lokale Zeitung.

In Hamburg engagierten sich die Aktivisten der AFH stark in den lokalen Organisationen, die vor allem im Bereich der Transport-, Hafen und Werftarbeiter und der Berufe des Bauhandwerks und Dienstleistungssektors bestanden, sich zur Freien Vereinigung aller Berufe (seit 1913 Syndikalistische Vereinigung aller Berufe) zusammenschlossen und ein Gewerkschaftskartell mit einigen Fachverbänden und der Föderation der Metallarbeiter bildeten. Dem Kartell schloss sich der 1913 entstandene Syndikalistische Industrie-Verband an, der von Hafenarbeitern und Seeleuten gegründet worden war. Hamburg entwickelte sich so in den letzten Jahren vor dem 1. Weltkrieg zum norddeutschen Zentrum der FVdG mit bis zu 400 Mitgliedern.

Einer ihrer führenden Protagonisten war der 1862 in Königsberg in Ostpreußen geborene Bauhilfsarbeiter Karl Roche. Er kam 1887 zur SPD und hatte seit 1891 zuerst für den Fabrikarbeiter-Verband, dann für den Bauhilfsarbeiter-Verband als Organisator im Reich gearbeitet, zuletzt von 1907 bis 1909 als Bürohilfsarbeiter beim Hauptvorstand in Hamburg. Wegen verbandsöffentlicher Kritik am Hauptvorstand (u.a. Unterschlagungen von Mitgliedsbeiträgen durch den Hauptkassierer) wurde er 1909 gefeuert, worauf er zur FVdG übertrat. In deren Verlag erschien seine Abrechnung »Aus dem roten Sumpf«. Seitdem schrieb er regelmäßig in den beiden FVdG-Organen Die Einigkeit und Der Pionier und war 1913 einer der deutschen Delegierten auf dem 1. internationalen Syndikalisten-Kongress in London.

Der Syndikalistische Industrie-Verband organisierte auf der Jungfernfahrt des HAPAG-Ozeandampfers »Vaterland« (seinerzeit das größten Passagierschiff der Welt) nach New York einen Seeleutestreik. Diese Arbeitskampf wurde mit dem Mittel der direkten Aktion geführt und endete mit einem Sieg der Streikenden, aber auch der Entlassung von 240 Stewarts nach der Rückkehr. Über den Verlauf dieses Streiks berichtete die erste Ausgabe der im Juni 1914 erscheinenden neuen Gewerkschaftszeitung Der Revolutionär des Industrieverbands der FVdG. Auch sie fiel dem Kriegsausbruch zum Opfer.

Revolution und Konterrevolution
Nein, es waren nicht nur Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Nach dem Krieg traten auch die Syndikalisten wieder an die Öffentlichkeit und erhielten einen unerwartet großen Zustrom an neuen Mitgliedern. Die Einigkeit wurde in Der Syndikalist umbenannt. Der wichtigste und bekannteste Protagonist der FAUD/AS war der anarchistische Schriftsteller Rudolf Rocker in Berlin, der vor seiner Ausweisung 1918 in London den jüdischen Arbeiterwiderstand an vorderster Front organisiert hatte.
In Hamburg entstand die Syndikalistische Föderation (SFH), deren Geschäftsführer Karl Roche wurde, seit Juni 1918 auf der Vulcan-Werft zwangsverpflichtet. Ein Spitzelbericht im Oktober 1919 notierte: »Der Haupthetzer auf der Vulcanwerft ist der Syndikalist Roche. Sein Einfluss auf die Arbeiterschaft ist ungeheuer und mit Recht wird behauptet, dass er die Seele des verderblichen Widerstandes gegen Vernunft und Ordnung eines grossen Teils der Arbeiterschaft ist

Roche schrieb 1919 das erste Nachkriegsprogramm und weitere wichtige Texte der FVdG. Schon im Januar 1919 unternahm er zusammen mit Fritz Kater erste Agitationsreisen durch Norddeutschland, u.a. eine Veranstaltung am 16. Januar 1919 in der Aula des Wilhelm-Gymnasiums, heute Teil der Universitätsbibliothek Hamburg.

Die konterrevolutionäre Politik der MSPD und der ›freien‹ Gewerkschaften (ADGB) führte auch in Hamburg und Altona zur weiteren Radikalisierung: Nationalversammlung statt Rätekongress – Hintertreibung des Arbeiter- und Soldaten-Rates in Hamburg – Reförmchen statt Revolution – Betriebsrätegesetz statt Sozialisierung der Betriebe – und als Antwort auf den Arbeiterwiderstand erfolgte das Niederkartätschen durch die Reichswehr und reaktionären Freikorps-Verbände.

Der angebliche ‚Bahrenfelder Spartakisten-Aufstand’ vom Februar 1919 war der Versuch von radikalen Arbeitern unter Führung des Syndikalisten Rüdigkeit, Waffen in Polizeiwachen zu beschlagnahmen, um den Beschluß des Arbeiterrats umzusetzen, der Bremer Räterepublik zu Hilfe zu eilen. Aber die reformistischen Gewerkschaften sabotierten dies durch einen Reichsbahner-Beamten-Streik (!), und die bewaffneten Arbeiter konnten Bremen nicht mehr erreichen.

Wohl im Sommer 1919 trennte sich Roche mit der großen Mehrheit der SFH von der FVdG/FAUD und gründete die Arbeiter-Union (AU), die sich im Frühjahr 1920 mit ähnlich ausgerichteten Organisationen zur Allgemeinen Arbeiter-Union Deutschlands (AAU) formierte. ‚Knackpunkte‘ waren wohl die Diktatur des Proletariats und das Prinzip der Betriebs-Organisation. Das erste, sehr föderalistische Programm der AAUD stammte von Roche (eine Fortschreibung des von ihm formulierten FVdG-Programms); er trat auch für die Vereinigung von AAU und FAUD ein.

Seitdem entwickelte sich eine enge Zusammenarbeit mit der Hamburger KPD, die zum anti-parlamentarischen und für die Zerschlagung der kriegstreiberischen ›Freien‹ Gewerkschaften eintretenden Mehrheits-Flügel der KPD gehörte. Als dieser Ende 1919 aus der KPD herausmanipuliert wurde, entstand Ostern 1920 die Kommunistische Arbeiter-Partei (KAPD), die eng mit der AAU zusammenarbeitete. Die AAU hatte zu diesem Zeitpunkt in Groß-Hamburg 12.000 Mitglieder, meist im Hafen und auf den Werften. Seit 1920 erschien ihre Wochenzeitung Der Unionist mit Roche als Redakteur.

Roche gehörte 1921 mit Otto Rühle und Franz Pfemfert zu den Köpfen der Opposition, die nach dem Sieg der KAPD-Linie in der AAU die AAUE gründeten, die eng mit der FAUD kooperierte. Roche schloß sich Ende 1923 wieder der FAUD an und publizierte eifrig im Syndikalist. Er starb als »völlig verarmter Proletarier« (Rocker) am 1. Januar 1931 im Alter von 69 Jahren an einer Lungenentzündung.

Die Freien Sozialisten-Anarchisten
Aus der Anarchistischen Föderation Deutschlands war 1919 reichsweit die kleine und wenig aktive Föderation kommunistischer Anarchisten (FKAD) entstanden.
Anfang März 1919 erschien in Hamburg dann die erste Ausgabe der anarchistische Wochenzeitung Alarmmit einem ‚Aufruf für die Diktatur des Proletariats‘. Die Herausgeber, die Freien Sozialisten-Anarchisten, waren agitatorisch sehr aktiv und ermunterten die Erwerbslosen und Werftarbeiter immer wieder zu Aktionen.
Anfangs arbeiteten die verschiedenen Linksradikalen (KP, AAU, FAUD und Anarchisten) noch zusammen (und planten sogar Putsche oder gemeinsame Aufstände, wenn man den Spitzelberichten der Politischen Polizei glauben schenken will). Aber das politische Gewirr lichtete sich, denn die bolschewisierte KPD drängte mit ihren russischen Rubel-Millionen und Emissären (Radek) räte-kommunistische und anarchistisch-syndikalistische Gruppen an den Rand. In Hamburg entstand aus der Rest-KPD durch den Zusammenschluss mit Thälmanns USPD-Mehrheit eine völlig neue Situation. Gegner der Partei wurden als »Abhub«, »Verräter an der Einheit« und »Abschaum der Arbeiterklasse«, als kleinbürgerlich diffamiert und auch physisch bekämpft.

»Sülzeaufstand« und Lettow-Vorbeck
Der »Sülze-Skandal« im Juni 1919 führte zu tw. gewalttätigen Unruhen. Der Senat rief nach den Sülze-Kämpfen um das Hamburger Rathaus mit dem Bahrenfelder Freikorps den Ausnahmezustand aus, und der MSPD-Reichswehrminister Gustav Noske schickte den Afrika-Schlächter Lettow-Vorbeck zur Durchsetzung der Reichsexekution mit seiner Soldateska nach Groß-Hamburg; erst im zweiten Anlauf gelang es am 1. Juli 1919 die Stadt zu besetzen: seine Reichswehr- und Freikorps-Truppen setzten bei ihrem martialischen Einmarsch (»Fenster zu, Strasse frei.«) ausgiebig Waffengewalt ein, um »Plünderer und Heckenschützen« niederzustrecken, in den Arbeitervierteln galt »Schnelljustiz« (Standrecht). Arbeiter und Funktionäre wurden oft willkürlich verhaftet und misshandelt. Die Besetzung kostete 80 Todesopfer bis zum Abzug des Lettow-Korps im Dezember.

Hamburg war danach eine andere Stadt, denn es wurde die Volkswehr aufgelöst und eine militarisierte Sicherheitspolizei geschaffen, deren Mitglieder sich großenteils aus ehemaligen Berufssoldaten und Freikorpsangehörigen zusammensetzte.
Von der bürgerlichen Presse wurde das Gerücht verbreitet, es hätte sich um einen kommunistischen Revolutionsversuch handelt. Aber die Hamburger KPD erklärte öffentlich, nichts mit den Ausschreitungen zu tun zu haben. In der Kommunistischen Arbeiterzeitung veröffentlichte sie bereits am 25. Juni einen Aufruf, der die Genossen zur Ruhe ermahnte: »Die Kommunistische Partei, die mit diesen Tumulten nichts zu schaffen hat, fordert Euch auf, Euch von Ansammlungen fernzuhalten und nicht vor die Maschinengewehre zu laufen.« Und auch nach dem Einmarsch der Reichswehr hieß es dort: »Die Partei verwirft jeden Versuch, sich mit Waffengewalt dem Einmarsch der Regierungstruppen zu widersetzen.« – Nur die Freien Sozialisten forderten mit Plakatanschlägen am 26. Juni die Arbeiterschaft auf, ihre Waffen nicht zurückzugeben, sondern weiter für den Sozialismus zu kämpfen.

Kurt Wilckens und der Schlächter von Patagonien
Kurt Wilckens war dem Alarm um Carl Langer verbunden und verfasste Erfahrungsberichte zu seiner Zeit in die USA (war er Mitglied der der revolutionären GewerkschaftIndustrial Workers of the World (IWW) und als Minenarbeiter in Arizona aktiv an Streiks beteiligt), und nach seiner Auswanderung warnte er vor Argentinien. In Buenos Aires erschoss er am 15. Januar 1922 den berüchtigten Oberst Varela, der zuvor 1.500 Streikende in Patagonien niedermetzeln ließ. Vor seinem Prozess wurde der aus Bad Bramstedt stammende Anarchist in seiner Gefängniszelle am 15. Juni 1923 von einem studentischen Mitglied der faschistischen Patriotischen Liga erschossen. Auch einhundert Jahre nach seiner Tat wird Kurt Wilckens in Argentinien als proletarischer Held und Märtyrer von der organisierten Arbeiterschaft verehrt und ob seines Mutes und seiner Opferbereitschaft gewürdigt. Hierzu finden wir die Alarm-Postkarte aus dem Jahre 1925 (handschriftlich beschrieben von Carl Langer).
Die Freien Sozialisten glitten unter dem Einfluss ihres umstrittenen Führers Carl Langer in immer individualistisch-organisationsfeindlicheres Fahrwasser ab, sie verloren ihren aktivistischen Charakter und verkümmerten als unbedeutende Anarchistische FreibundVereinigungen. Der Alarm erschien bis 1925 teilweise unregelmäßig und 1930 noch einmal kurzfristig. Zeitweilig lag die Auflage dieser reichhaltig und informativ gestalteten Zeitung bei 6 000 Exemplaren, die auch auswärts und besonders im Rheinland gelesen wurde, da sich hier Carl Langers spezielles Agitationsgebiet befand.

Aktiv bis zur Zerschlagung durch den Nationalsozialismus
1924 initiierten Karl Roche und die Hamburger AAUE den Versuch, die Revolutionäre jenseits der KPD in einem Block antiautoritärer Revolutionäre reichsweit zu einen. Die Initiative hatte nur mäßigen Erfolg.
Ende Mai 1928 fand in Hamburg der FKAD-Kongress in Hüttmann’s Hotel in der Poolstrasse (Neustadt) statt. An der Diskussion nahm auch Karl Roche als Delegierter teil.
Auf dem 19. Reichskongress der FAUD im März 1932 wurden in Hamburg neben 24 Binnenschiffern nur noch 40 Mitglieder gezählt. Die FAUD beschloss vorausschauend ihre Auflösung angesichts des Nationalsozialismus. Eine letzte Anarchistenversammlung wurde am 21. April 1932 in Wilhelmsburg ausgehoben. In einer Mitteilung vom 18. September 1935 meldet die Gestapo, dass in Norddeutschland die FAUD »jede Tätigkeit eingestellt« habe. Das stimmte nur bedingt, denn es flüchteten einige Genossen nach Spanien, schlossen sich der Sozialen Revolution von 1936-39 an und zerschlugen die NSDAP-Auslandsorganisation in Barcelona. Andere wurden ermordet (wie etwa Erich Mühsam am 10. Juli 1934 im KZ Oranienburg) oder kamen in Arbeitslager.

Der Anarchismus ist in Hamburg bis heute nicht tot, die Flamme ist nicht erloschen. Aber das ist eine andere Geschichte.

Folkert Mohrhof | Jonnie Schlichting
Archiv Karl Roche – Regionales Archiv zur Dokumentation des antiautoritären Sozialismus – RADAS Hamburg

Quellen:
Akten aus dem Landesarchiv Berlin; Staatsarchiv Bremen; Staatsarchiv Hamburg
Materialien auf der Seite des Archiv Karl Roche
https://archivkarlroche.wordpress.com
Anarchopedia: Kurt Gustav Wilckens
http://deu.anarchopedia.org/Kurt_Gustav_Wilckens
Hans Manfred Bock, Syndikalismus und Linkskommunismus von 1918-1923. Ein Beitrag zur Sozial- und Ideengeschichte der frühen Weimarer Republik, Darmstadt 1993
Marina Cattaruzza, »Organisierter Konflikt« und »Direkte Aktion«. Zwei Formen des Arbeitskampfes am Beispiel der Werftarbeiterstreiks in Hamburg und Triest (1880 – 1914); in: Archiv für Sozialforschung, Bd. 20/1980
Dieter Fricke und Rudolf Knaack (Bearbeiter), Dokumente aus geheimen Archiven. Übersichten der Berliner politischen Polizei über die allgemeine Lage der sozialdemokratischen und anarchistischen Bewegung 1878-1913. Teil III: 1906-1913, Berlin 2006
Michael Grüttner, Arbeitswelt an der Wasserkante. Sozialgeschichte der Hamburger Hafenarbeiter 1886 – 1914, Göttingen 1984
Heidi Heinzerling, Anarchisten in Hamburg. Beiträge zu ihrer Geschichte 1890-1914; in: Hamburger Zustände. Jahrbuch zur Geschichte der Region Hamburg, Bd. 1, Hamburg 1988
Kampf. (Unabhängiges) Organ für Syndikalismus und Anarchismus (Hamburg)
http://archivkarlroche.wordpress.com/kampf-organ-fur-anarchismus-und-syndikalismus/
Fritz Kater, Freie Vereinigung deutscher Gewerkschaften, Berlin 1912
https://archivkarlroche.wordpress.com/2022/05/17/grundung-der-fvdg-vor-125-jahren/
Ulrich Linse, Organisierter Anarchismus im Deutschen Kaiserreich von 1871, Berlin/W. 1969
Folkert Mohrhof, Der syndikalistische Streik auf dem Ozean-Dampfer ‘Vaterland’ 1914. (Archiv Karl Roche – Schriftenreihe # 1), Hamburg 2008
https://archivkarlroche.wordpress.com/2020/12/05/der-syndikalistische-streik-auf-der-vaterland/
Sven Philipski, Ernährungsnot und sozialer Protest. Die Hamburger Sülzeunruhen 1919. Hamburg 2002
http://www.kaufmann-stiftung.de/0904_Suelzeunruhen_K1.pdf
Karl Roche, Aus dem roten Sumpf oder Wie es in einem nicht ganz kleinen Zentralverband hergeht, Berlin 1909 – reprint Hamburg 2014 (Von unten auf)
Karl Roche, Sozialismus und Syndikalismus. Agitationsschriften aus dem Jahre 1919 (Archiv Karl Roche #2), Moers 2009 (Syndikat A)
Hartmut Rübner, Freiheit und Brot. Die Freie Arbeiter-Union Deutschlands. Eine Studie zur Geschichte des Anarcho-Syndikalismus. Berlin/Köln 1994
Hartmut Rübner, Linksradikale Gewerkschaftsalternativen: Anarchosyndikalismus in Norddeutschland von den Anfängen bis zur Illegalisierung nach 1933; in: Archiv für die Geschichte des Widerstandes und der Arbeit, Nr. 14/1996
Paul Schreyer, Die Sozialdemokratie und der Krieg. Eine Zeit= – keine Streitfrage. Ein Wort an die Arbeiterschaft, Kopenhagen 1914
Institut für Syndikalismus-Forschung, Geschichte der syndikalistischen Arbeiterbewegung in Deutschland – Ein virtuelles Museum
http://www.syndikalismusforschung.info/museum.htm
Wayne Thorpe, The Workers Themselves. Revolutionary Syndicalism and International Labour 1913 – 1923, Dodrecht – Boston – London 1989

Zu den Bildern/Postkarten:
Mitbürger, auf zur Wahl! Postkarte der AFH, Mai 1913 ; auch im Kampf, Nr. 11, Mai 1913. Das Motiv wurde von der KAPD-AAU-KAJ Berlin 1922 wieder verwendet.
Die Wilckens-Postkarte des Alarm ist aus dem Jahre 1924. Sie ist von Carl Langer unterschrieben. (Pierre Ramus Papers im IISG; Nr. 1162.40).


Abkürzungen
AAU, AAUD: Allgemeine Arbeiter-Union Deutschlands
AAUE: Allgemeine Arbeiter-Union (Einheitsorganisation)
ADGB: Allgemeiner Deutscher Gewerkschafts-Bund
AFD: Anarchistische Föderation Deutschlands
AFH: Anarchistische Föderation Hamburg und Umgebung
AU: Arbeiter-Union (Hamburg)
FAUD: Freie Arbeiter-Union Deutschlands/Anarcho-Syndikalisten
FKAD: Föderation Kommunistischer Anarchisten Deutschlands
FVdG: Freie Vereinigung deutscher Gewerkschaften
IISG: Internationaal Instituut voor Sociale Geschiedenis, Amsterdam
IWW: Industrial Workers of the World
KAJ: Kommunistische Arbeiter-Jugend
KAPD: Kommunistische Arbeiter-Partei Deutschlands
KP, KPD: Kommunistische Partei Deutschlands
MSPD: Mehrheits-Sozialdemokratische Partei Deutschlands
NSDAP: Nationalsozialistische Arbeiter-Partei Deutschlands
SFH: Syndikalistische Föderation Hamburg
SPD: Sozialdemokratische Partei Deutschlands
USPD: Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands

Fritz Kater zum deutschen Syndikalismus 1914

Fritz Kater

Die Freie Vereinigung deutscher Gewerkschaften und ihr Kampf in der deutschen Bewegung.[1]

Zur Verfassung der Freien Vereinigung deutscher Gewerkschaften (FVdG) gibt es nicht viel zu sagen. Sie besteht hauptsächlich aus Gewerkschaften der Bauindustrie. Diese Industrien befinden sich jedoch bereits seit mehreren Jahren in einer akuten Krise, und dort herrscht eine solche Arbeitslosigkeit, wie man sie seit einer Generation nicht mehr erlebt hat. Es versteht sich von selbst, daß diese Krise auf die Verbreitung der Agitation und auf alle organisatorischen Aktionen dieser Gewerkschaften Auswirkungen hat, und zwar in verschiedene Richtungen.

Infolge dieser anhaltenden Arbeitslosigkeit wechseln viele Mitglieder unserer Organisationen ihren Beruf, und der Terrorismus in den großen deutschen Zentralgewerkschaften zwingt sie häufig dazu, sich einer der letzteren anzuschließen. Dies sind einige der Gründe, warum unsere Mitglieder­zahl trotz unserer eifrigen Agitation seit dem ersten internationalen Syndikalistenkongreß in London im Jahr 1913[2] zurückgegangen ist.

Natürlich haben auch die zentralistischen Gewerkschaften der sozialdemokratischen Richtung, die freien Gewerkschaften, wie sie im Gegensatz zu den christlichen und katholischen Gewerk­schaften genannt werden, stark unter der Baukrise gelitten; aber diese Gewerkschaften haben ein Rekrutierungsmittel, das für die deutschen Volksmassen nicht an Attraktivität mangelt. Dies sind die Hilfskassen für den Fall von Krankheit, Reisen, Invalidität oder Bestattung sowie eine ganze Reihe anderer Einrichtungen der gegenseitigen Hilfe, die zusammen oft drei Fünftel und noch mehr der Einnahmen dieser Gewerkschaften verschlingen.

Die Zahl der deutschen Arbeiter, die aus prinzipiellen und ideellen Gründen einer Gewerkschaft beitreten, ist so gering, daß man sie wirklich mit der Laterne von Diogenes in diesem Land suchen sollte[3].

Deutschland steht nicht nur in allen Fragen des Militarismus und der Bürokratie an der Spitze der modernen Staaten, es dominiert auch die Arbeiterbewegung.

Der Geist des Kasernenmilitarismus, die Anbetung der Gewerkschaftsfunktionäre, der Geist der Disziplin […] der zweieinhalb Millionen Arbeiter und Arbeiterinnen, die sich unter der engen Aufsicht ihrer Beamten befinden, all dies steht im Gegensatz zu unseren syndikalistischen Ideen. Hinzu kommt die Existenz von 58 bis 59 Gewerkschaftszeitungen, die einmal oder mehrmals pro Woche erscheinen, und etwa sechzig sozialdemokratische Tageszeitungen, die alle zusammen den reformistischen Gewerkschaftsgeist fördern und verbreiten.

Dies sind die Mauern, die die Syndikalisten stürmen müssen. Gewiß, unsere Organisationen verteilen sich auf das gesamte Reich, und der [revolutionäre] Syndikalismus hat schon jetzt in fast allen wichtigen Städten Ableger. Wir haben außerdem bereits zwei wöchentliche Organe: die Einigkeit und den Pionier, von denen letzterer auch in reformistischen Gewerkschaftskreisen gelesen wird. Nur, was ist all das angesichts der Handlungsmöglichkeiten gegen den revolutionären Syndikalismus wert, die den parlamentarischen Sozialisten und reformistischen Gewerkschaftern zur Verfügung stehen? Fehlinterpretationen, Lügen, Beleidigungen in Bezug auf den Syndikalismus in Deutschland; selbst die Denunziation von Klassenkameraden gegenüber Polizei und Justiz fehlt nicht in den sozialdemokratischen Zeitungen und in der reformistischen Gewerkschaftspresse, wenn es um den Kampf gegen revolutionäre Gewerkschafter geht. Wenn die revolutionären Genossen aus Frankreich, Italien, Spanien, England, Amerika usw. nur ein Hundertstel von allem hören könnten, was diese Presse deutschen Arbeitern über die Lehren und Kampftaktiken des [revolutionären] Syndikalismus erzählt, dann sie würden sich angewidert von solchen Menschen abwenden und alle Anstrengungen unternehmen, um die Revolutionäre Internationale zu entwickeln. [Sie könnten dann] die tieferen Gründe [verstehen], warum wir revolutionären Syndikalisten in Deutschland so wenig Fortschritte machen.

Noch etwas. Mehrmals, das erste Mal aus dem Mund des Genossen Jouhaux[4] aus Paris, ein anderes Mal durch die Stimme des Genossen Tom Mann[5] aus London, hat man uns im Besonderen und den Syndikalisten aller Länder im allgemeinen den Rat gegeben, unsere besonderen Gewerk­schaften aufzugeben, um mit der Propaganda syndikalistischer Ideen innerhalb der zentralistischen Gewerkschaften zu beginnen. Diese Genossen und alle, die so denken, beurteilen die Situation in anderen Ländern nach den Möglichkeiten, die sich in ihrem eigenen Land bieten. Sie sind sich insbesondere der Situation in Deutschland nicht bewußt, in der der parlamentarische und reformis­tische Geist und die Gewerkschaftsdisziplin seit mehr als einem Vierteljahrhundert in die Massen eingedrungen sind und dort gearbeitet haben.

Die Annahme, daß man syndikalistische Prinzipien in diesen Gewerkschaftskreisen erfolgreich verbreiten könnte, ist gleichbedeutend mit der Annahme, daß man in einer deutschen Kaserne als Soldat antimilitaristische Propaganda betreiben könnte.

Während der antimilitaristische Soldat zu mehreren Jahren Gefängnis verurteilt wird, würde der revolutionäre Syndikalist, der es wagt, seine Ansichten offen zu verbreiten, ohne eine so harte Strafe zu erhalten, dennoch unfehlbar bestraft werden. Zuallererst würde man ihn zwingen zu Schweigen; für den Fall, daß er nicht schweigen will, sondern weiterhin seine Ideen geltend macht, würde er gemäß diesem oder jenem Artikel der Satzung aus der Gewerkschaft ausgeschlossen. Wenn er seine Propaganda gegen die Gewerkschaft fortsetzen würde […], würden die sozialdemo­kratischen Tageszeitungen und die reformistische Gewerkschaftspresse über ihn herfallen. Wehe ihm, wenn er darüber hinaus gezwungen war, sein Brot in der Fabrik oder Werkstatt zu verdienen. In solchen Fällen haben die Gewerkschaftsbeamten den von den Gewerkschaftsmitgliedern ange­wandten Terrorismus in Anspruch genommen; und wirklich, in Deutschland braucht es nicht viel, um einen rebellischen Geist auf unfreiwillige Arbeitslosigkeit und Hunger zu reduzieren. Das ist deutsche Gewerkschaftsdisziplin.

Und deshalb werden wir außerhalb der großen deutschen Gewerkschaften bleiben, um die Prinzipien und Taktiken des revolutionären Syndikalismus zu predigen. Um dies zu erreichen, brauchen wir eigene Gewerkschaften in allen Zentren des Deutschen Reiches, die diese Prinzipien und diese Taktik vertreten, sie in alle Richtungen verbreiten und die Kosten dafür tragen.

Fritz Kater (Berlin)

Allemagne

L’union libre des syndicats allemands et sa lutte dans le mouvement allemand.

Fritz Kater (Berlin)

Sur la constitution de l’union libre des syndicats allemands (Freie Vereinigung deutscher Gewerkschaften). Il n’y a pas grand-chose à dire. Elle se compose surtout de syndicats des industries du bâtiment. Cependant ces industries traversant depuis plusieurs années déjà une crise aiguë, il y règne un chômage tel qu’on n’en n’avait jamais vu depuis toute une génération. Il va sans dire que cette crise réagit sur la propagande d’agitation et sur toute l’action organisatrice de ces syndicats et cela dans plusieurs directions

Par suite de ce chômage persistant, nombre des membres de nos organisations changent de métier et le terrorisme existant dans les grandes unions centrales allemandes les oblige souvent alors à adhérer à une de ces dernières. Voilà quelques-unes des causes pour lesquelles, malgré toute l’ardeur de notre agitation, il faut constater un recul du nombre de nos membres depuis le premier congrès syndicaliste international tenu à Londres en 1913.

Certes, les unions centralistes d’obédience social-démocrate, les unions libres comme elles s’appellent en opposition aux unions chrétiennes et catholiques, ont aussi beaucoup souffert de la crise du bâtiment; mais ces unions ont un moyen de recrutement qui ne manque pas d’attraction pour les masses populaires allemandes. Ce sont les caisses de secours en cas de maladie, de voyage, d’invalidité ou d’enterrement et toute une série d’autres institutions de secours mutuels qui, toutes ensemble, dévorent souvent les trois cinquièmes et même plus des recettes de ces Unions.

Le nombre des ouvriers allemands qui adhèrent à un syndicat pour des motifs de principe et d’idéal est tellement minime qu’on devrait vraiment aller les chercher dans ce pays avec la lanterne de Diogène.

L’Allemagne ne se trouve pas seulement au premier rang des États modernes pour tout ce qui est du militarisme et de la bureaucratie, elle domine de même dans le mouvement ouvrier.

L’esprit du militarisme de caserne, l’adoration des fonctionnaires syndicaux, l’esprit de discipline […] des deux millions et demi d’ouvriers et d’ouvrières se trouvant sous la surveillance étroite de leurs fonctionnaires, tout cela est en opposition avec nos idées syndicalistes. Ajoutons encore l’existence de 58 à 59 journaux corporatifs paraissant une fois ou plus par semaine et quelques soixante quotidiens social-démocrates qui tous ensemble cultivent et propagent l’esprit syndical réformiste.

Voilà les remparts dont les syndicalistes doivent faire l’assaut. Certes, nos organisations se répartissent sur l’Empire entier et le syndicalisme [révolutionnaire] a donc d’ores et déjà des ramifications dans presque toutes les villes de quelque importance. Aussi possédons-nous déjà deux organes hebdomadaires: la Einigkeit (Concorde) et le Pionier dont le dernier est aussi lu dans les milieux syndicaux réformistes. Seulement, que vaut tout cela en face des moyens d’action dont disposent, contre le syndicalisme révolutionnaire, les socialistes parlementaires et les syndicalistes réformistes. Fausses interprétations, mensonges, insultes concernant le syndicalisme en Allemagne; même les dénonciations de camarades de classe auprès de la police et de la justice, rien ne manque dans les journaux social-démocrates et dans la presse syndicale réformiste, lorsqu’il s’agit de combattre les syndiqués révolutionnaires. Si les camarades révolutionnaires de France, d’Italie, d’Espagne, d’Angleterre, d’Amérique, etc. pouvaient entendre seulement un centième de tout ce que cette presse raconte aux ouvriers allemands sur les doctrines et le tactique de lutte du syndicalisme [révolutionnaire], ils se détourneraient avec dégoût de ces gens-là et feraient tous les efforts pour développer l’Internationale révolutionnaire. [Ils pourraient alors comprendre] les raisons profondes pour lesquelles nous autres syndicalistes révolutionnaires faisons si peu de progrès en Allemagne.

Encore quelque chose. A plusieurs reprises, la première fois par la bouche du camarade Jouhaux de Paris une autre fois par la voix du camarade Tom Man de Londres, on nous a donné le conseil, à nous en particulier et aux syndicalistes de tous les pays en général, d’abandonner nos syndicats particuliers pour commencer la propagande des idées syndicalistes au sein même des unions centralistes. Ces camarades et tous ceux qui pensent comme eux, jugent de la situation des autres pays d’après les possibilités qui se présentent dans leur propre pays. Ils méconnaissent tout particulièrement la situation en Allemagne où l’esprit parlementaire et réformiste et la discipline syndicale ont pénétré et travaillé les masses depuis plus d’un quart de siècle.

La supposition qu’on pourrait avec succès propager dans ces milieux syndicaux les principes syndicalistes équivaut à cette autre: qu’on pourrait, dans une caserne allemande, faire comme soldat de la propagande antimilitariste.

Si le soldat antimilitariste est [condamné à] plusieurs années de prisons, le syndicaliste révolutionnaire, qui oserait ouvertement propager ses opinions, tout en ne recevant pas une punition aussi sévère, serait quand même puni infailliblement. Tout d’abord, on lui imposerait catégoriquement le silence; au cas où il ne voudrait pas se taire, mais où il continuerait à affirmer ses idées, il serait conformément à tel ou tel article des statuts exclu du syndicat. S’il continuait sa propagande contre le syndicat […], les quotidiens social-démocrates et la presse corporatiste réformiste lui tomberaient dessus. Malheur à lui s’il était par-dessus le marché forcé de gagner son pain à la fabrique ou à l’atelier. Souvent dans de pareils cas, les fonctionnaires syndicaux ont fait appel au terrorisme appliqué par les adhérents du syndicat; et, vraiment, il n’en faut pas beaucoup en Allemagne pour réduire un esprit rebelle au chômage involontaire et à la faim. C’est là la discipline syndicale allemande.

Et voilà pourquoi nous resterons en dehors des grands syndicats allemands, pour prêcher les principes et la tactique du syndicalisme révolutionnaire. Pour pouvoir le faire, nous avons besoin de syndicats séparatistes dans tous les centres de l’Empire allemand, qui porteurs de ces principes et de cette tactique, en font la propagande dans toutes les directions et en supportent les frais.

[Source : La Voix du Peuple, 20-26.04.1914]


[1]     Fritz Kater, Le syndicalisme révolutionnaire en Allemagne; in: La Voix du Peuple, 20 – 26. April 1914 (nach der Fassung auf Pelloutier Net). Übersetzung und Anmerkungen: Jonnie Schlichting.

[2]     https://en.wikipedia.org/wiki/First_International_Syndicalist_Congress

[3]     Anspielung auf den griechischen Philosophen Diogenes von Sinope (ca. 413 – 323 v.u.Z.), der einmal am hellen Tag auf dem Marktplatz von Athen mit einer Laterne herumlief und auf die Frage, was das solle, antwortete: »Ich suche einen Menschen.«

[4]     Léon Jouhaux (1879 – 1954) https://de.wikipedia.org/wiki/L%C3%A9on_Jouhaux

[5]     Tom Mann (1856 – 1941) https://de.wikipedia.org/wiki/Tom_Mann

Vor 45 Jahren – La Furia Libertaria – CNT 1977

27. März 1977 in der Stierkampfarena von San Sebastián de los Reyes 
(einer Vorstadt von Madrid, etwa 18 Kilometer nördlich) Madrid

Es ist gerade 45 Jahre her, dass am 27. März 1977 in der Stierkampfarena von San Sebastian de los Reyes die erste große CNT-Kundgebung nach der langen franquistischen Finsternis stattfand.

In den Worten des damaligen Generalsekretärs der CNT: „Bereits am Mittag waren die Arena und die Tribünen voll besetzt und boten ein beeindruckendes Schauspiel, das durch Fotodokumente für die Nachwelt festgehalten werden wird. Rund 30.000 Menschen hatten sich versammelt, um die Stimme der CNT zu hören. Die Szene war unbeschreiblich: Hunderte von Fahnen, die Hymnen der Organisation, ein großes Getöse, die ersten Parolen, die später in Millionen von Versammlungen und Demonstrationen zu hören sein sollten …“

(Juan Gómez Casas, Relanzamiento de la CNT: 1975-1979)
Madrid – Stierkampfarena San Sebastian de los Reyes

28. Mai in Valencia

2. Juli 1977 in Barcelona

Plakate in Barcelona – überall verklebt …
( eigene Fotos, 2.7.1977 – fm )
Federica Monseny spricht von mehreren hundertausend Genossinnen und Genossen – anfangs wurde von über 300.000 Teilnehmer:innen gesprochen … (der Autor war irgendwo am Springbrunnen mit dabei)
( Fotos Manel Armengol )
Gigantische Kundgebung der CNT in Barcelona

Hunderttausend Personen im Park von Montjuich

Rund 100.000 Menschen nahmen gestern Nachmittag im Montjuich-Park in Barcelona an der Kundgebung teil, zu der der nationale Gewerkschaftsbund (CNT) aufgerufen hatte. Während der Kundgebung im Montjuich-Park in Barcelona, an der unter anderem Federica Montseny, Juan Gómez Casas, Enric Marcos und José Peirat teilnahmen.

Der Generalsekretär der CNT in Katalonien, Enric Marcos, forderte in seiner Rede die Freilassung aller politischen Gefangenen. „Wir sind hier“, sagte er, „um zu zeigen, dass wir nicht verschwunden sind und dass wir nie verschwinden werden.“

Die Kundgebung setzte sich in einer Atmosphäre fort, die durch die ständigen Rufe der Teilnehmer angeheizt wurde, die Slogans wie „Das Volk, vereint, wird niemals besiegt werden“, „Totale Amnestie“, „Ja, ja, ja, ja, Freiheit“ und „Gefangene auf die Straße, auch gewöhnliche Gefangene“ skandierten.

José Peirats, Direktor von Solidaridad Obrera, griff die Nationalitäten [gemeint ist hier v.a. der baskische und katalanische Separatismus] scharf an, und Federica Montseny, Gesundheitsministerin der Zweiten Republik, verwies auf die überhöhten Kosten der vergangenen Wahlen und erklärte, dass „das Fleisch der Abgeordneten sehr teuer geworden“ sei und jeder Abgeordnete die Arbeiterklasse eine Million Peseten koste. Federica Montseny erinnerte daran, die Parallelität des Montjuich-Berges hervorzuheben, „ein Ort“, sagte sie, „mit tragischen Erinnerungen für anarchistische Aktivisten, da viele Opfer der Repression auf diesem Berg hingerichtet wurden“. Die Gewerkschaftszentralen, die mit den Parteien verbunden sind, seien nichts weiter als eine Bremse, um die Arbeiter von einer „Revolte“ abzuhalten. In diesem Zusammenhang griff sie Santiago Carrillo, den Generalsekretär der Kommunistischen Partei Spaniens, scharf an und sagte, er sei „monarchistischer als die Monarchisten“. Wenn das Eurokommunismus ist, dann will ich verdammt sein.

Nach den Reden, an denen u.a. Juan Gómez Casas, Sekretär des Nationalkomitees, und Carlos Piernavieja, Vertreter der andalusischen Organisation, teilnahmen, begann eine „libertäre Feier“.
(El Pais, 3. Juli 1977, Titelseite)

Titelseite El Pais, 3. Juli 1977

Die erste Kundgebung seit dem Krieg

Die Kundgebung fand vor dem Palau Nacional statt, wo sich das Rednerpult befand. Auf den Stufen darunter und in den verschiedenen Seitenstraßen bis zur Reina Maria Cristina versammelten sich mehrere tausend Menschen, um an der ersten großen Kundgebung in Barcelona nach dem Bürgerkrieg teilzunehmen. Nach Angaben der Guàrdia Urbana nahmen 150.000 Menschen teil. Nach Angaben der Organisation waren es 300.000.

betevé, 2 de juliol del 2021, katalanisch • https://beteve.cat/va-passar-aqui/cnt-miting-1977-montjuic/

Über den Aufstieg und Fall der spanischen CNT-AIT siehe auch den Artikel aus der barrikade # 3 vom April 2010:

fm, 17. Mai 2022

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Gründung der FVdG am 17.-19. Mai 1897

Vom 17.-19. Mai 1897 erfolgte die Gründung der Organisation der Lokalisten als Freie Vereinigung deutscher Gewerkschaften – FVdG in Halle an der Saale. Sie war die Vorgängerorganisation der 1919 gegründeten Freien Arbeiter-Union Deutschlands, der FAUD.

Wie die SPD-Presse seinerzeit auf den Aufruf und die Bitte um Abdruck in den sozialdemokratischen Zeitungen reagierte, zeigt diese Antwort des Redakteurs des ‚Volksblatt für Harburg, Wilhelmsburg und Umgebung‘:

Auszug aus der Broschüre von 1912

Wir publizieren hier die zum 15jährigen Bestehen der FVdG von Fritz Kater geschriebene Broschüre aus dem Jahre 1912:

Archiv Karl Roche

Regionales Archiv zur Dokumentation des antiautoritären Sozialismus (Anarchosyndikalismus, Anarchismus und Rätekommunismus) in Hamburg – RADAS

https://archivkarlroche.wordpress.com/

Hamburg, den 17. Mai 2022

Der KPD-Aufstand in Hamburg 1921

Vor hundert Jahren …

Der kommunistische Aufstandsversuch
in Hamburg am 23. März 1921

Bei diesen geschichtlichen Ereignissen kann es keine Objektivität geben … die sozialdemokratische Lüge vom Sozialismus ist ebenso übel wie die kommunistische Phrasendrescherei oder gar das bürgerliche Geschwätz von der Demokratie. Geputscht hatten ja 1920 bereits die Rechtsextremen unter Kapp und alle „Guten“ zusammen haben Hitler nicht verhindert. Sie waren eher alle Steigbügelhalter der Nazis!

Die Frage, ob die Sozialdemokraten und ihre Verbündeten eine Alternative gehabt hätten, ist ebenso töricht wie widerlegt angesichts der eindeutigen Haltung der reaktionären SPD-Führung. Sie sah ihre einzige Aufgabe in der Aufrechterhaltung des kapitalistischen Systems garniert mit demokratisch-parlamentarischer Soße. So orientierte sich die bürgerliche Ebert-Scheidemann-Regierung letztlich an der Phrase des „liberalen“ Eugen Richter aus dessen Wahlkampf 1894 – „Keine Revolution, keine Reaction, Reformen!“. Nur dass sie faktisch die reaktionären Kräfte des Kaiserreichs rief, finanzierte und zu Freikorps zusammenstellen ließ, die die revolutionäre Arbeiterschaft bekämpfen und liquidieren sollte.

Wahr ist sicherlich auch – dass ohne die organisierten Revolten und spontanen Hunger-Unruhen noch weniger Druck auf die Herrschenden ausgeübt worden wäre, die Probleme der Arbeitslosigkeit und Unterernährung anzugehen. Anderseits wuchs die Angst der besitzenden Klassen vor einem Umsturz dermaßen, dass diese Kreise immer wieder ihre politischen Ziele mit rechten Putschversuchen abzusichern versuchten. Hitler war dann die letzte Konsequenz.

Die Sipo und ab 1920 in Hamburg die Orpo – Sicherheits- und Ordnungs-Polizei (entspricht heute der Bereitschaftspolizei) waren militarisierte Polizeitruppen zur Aufstandsbekämpfung, die mit Militärausrüstungen wie Panzerwagen und auch Maschinengewehren ausgestattet war. Sie bestanden großenteils aus ‚abgerüsteten‘ Freikorps-Söldnern. Als Schupo wurden die „normalen“ Polizeibeamten auf den Wachen bezeichnet.

Panzerauto »Ehrhardt 21«
• Stacheldraht in Hamburg 1919
• Polizeiwache Davidwache, Reeperbahn/Ecke Davidstraße – St. Pauli, Hamburg 1919

Gegen diese schwerbewaffneten und ausgebildeten Mannschaften befeuerte die VKPD ihre Anhänger, sich bei diesen oder den normalen Polizeibeamten Schusswaffen zu „besorgen“. So wollte man einem Bürgerkrieg gewinnen?

Die Masse der demonstrierenden Kommunisten und Schaulustigen wäre niemals in der Lage gewesen, vollkommen unbewaffnet, einen kommunistischen Aufstand oder Putsch anzuzetteln. Das war den VKPD-Führern natürlich bewusst, deren Aufstandsversuche bereits ohne entsprechende Bewaffnung 1919 und 1920 gescheitert war. Damals hatten die Revolutionäre wenigstens noch Maschinengewehre und Handgranaten bei ihren Sturmangriffen auf die Polizeiwachen zur Verfügung (siehe Sturm auf die Davidwache Ostern 1919). 

Die Rote Fahne, 21. März 1921

Die Rote Fahne, 24. März 1921

Die Vorgeschichte – Mitteldeutscher Aufstand
und die neue »Offensiv-Strategie« der Komintern

… aber nach der Bolschewisierung der aus USPD-Mehrheit und Rest-KPD entstandenen VKPD karrte diese nun ihre Mitglieder „vor die Maschinengewehre“ – und das nicht nur am 23. März 1921 in Hamburg unter der Leitung von Ernst Thälmann (Hamburger USPD-Führer). Die lokalen Ereignisse anderenorts finden sich in der örtlichen Presse (wir verweisen da auf das online-Europeana-Archiv).

Für die SPD-Regierung in Berlin galt es, die „Demokratie“ zu sichern, die revolutionären Arbeiter hatten ihre Forderungen nach einer Räterepublik immer noch nicht aufgegeben hatten … Besonders nach dem reaktionären Kapp-Putsch 1920 bereiteten sich die Revolutionäre auf einen Gegenschlag vor. Der Konflikt wurde seitens des preußischen Innenministers Severing (SPD) dadurch weiter angefacht, dass er reaktionäre Organisationen, militärische Formationen wie die Orgesch (Organisation Escherich) nicht entwaffnete – sondern die revolutionären Selbstverteidigungs-Gruppierungen der Arbeiterschaft zu entwaffnen anstrebte.  Und das im Mansfelder Revier in Sachsen. Das führte dann zum Mitteldeutschen Aufstand, den die VKPD reichsweit über einen Generalstreik am 23. März 1921 zum Aufstand ausweiten wollte. Hier sei nur an die revolutionären Aktionen der Aufstandsführer der KAPD Max Hölz und Karl Plättner erinnert. Die Arbeiterschaft reagierte aber nur massiv auch in Hamburg und dem Ruhrgebiet.

Vor dem Aufstandsversuch war im Februar 1921 die KPD-Führung zurückgetreten und der alte Parteiführer Paul Levi kritisierte nach der katastrophalen Niederlage die angeordnete neue „Offensiv“-Strategie der kommunistischen Internationale (Komintern) als „bakunistischen“ Putsch; später landete später er dann wieder bei der SPD …

Es wird so getan, als wenn die Aufstandsversuche illegitim gewesen wären … natürlich kann man das so sehen, zumal ja die Sieger immer die Geschichte schreiben oder meinen, das Recht auf ihrer Seite zu haben und niederträchtig auf die Verlierer nach ihrer Ermordung auch noch eintreten zu müssen. Dass alle Putschabsichten seit der enormen Militarisierung bereits aussichtslos sein mussten, das hatte m.E. bereits der niedergeschlagene Spartakus-Aufstand im Januar 1919 in Berlin gezeigt. Der Reaktion war auch mit Aufstandsversuchen nicht mehr beizukommen.

Kommunistische Arbeiter-Zeitung, Berlin, der KAPD; ohne Datum, vermutlich: 24. März 1921

Hamburg – Mittwoch, 23. März 1921

Hamburger Anzeiger Donnerstag. 24. März 1921:

Ein schwerer Tag für Hamburg.

Die deutschen Kommunisten haben Anweisung von Moskau erhalten, den Umsturz mit allen Mitteln des Terrors im deutschen Vaterlande herbeizuführen. Überall soll die Räteregierung ausgerufen werden; man beabsichtigt, sich aller öffentlichen Gebäude zu bemächtigen, alle Verkehrsmittel zu Wasser und Lande stillzulegen und dann den letzten entscheidenden Stoß mit Hilfe bolschewistischer Kräfte zu führen, die an den deutschen Hafenplätzen Waffen, Munition, Lebensmittel und dergleichen landen sollen. Ja Rußland ist es gelungen, die Sowjetherrschaft auf den Spitzen der Bajonette zu errichten und sie bis zum heutigen Tage zu erhalten, obwohl noch keine Million Menschen der Sowjet-Organisation angehören. In Deutschland wird ein ähnliches Experiment mißglücken. Das Selbstbewußtsein des Volkes verlangt nicht nach neuen Sklavenketten, sondern nach Selbstregierung. Nach der Verwirklichung des gestern vom Bürgerschaftspräsidenten Roß gebrauchten Wortes, daß keiner herrschen soll, und daß an die Stelle des Staates, in dem bevorrechtigte Minderheiten das Regiment führten, der Volksstaat getreten ist. Und der Kommunismus strebt eine Minderheitsherrschaft an, die sich auf Blut und Eisen, wie einstens diejenige königlicher Selbstherrscher, stützt.

Die hamburgischen Kommunisten haben am Mittwoch den Wahnwitz begangen, mit ihrer kleinen Schar die Räteherrschaft ausrichten zu wollen. Die Hetze der Hamburger Volkszeitung, die gestern ungeschwächt fortdauert, hat ihre Früchte getragen. Die Erwerbslosen und die Werftarbeiter, die letzteren meist von auswärts nach Hamburg gezogene Elemente, stellten die Kerntruppen des Kampfes dar. Den Erwerbslosen wurde vorgeredet, man kämpfe um ihre Einreihung in den Kreis der zu Beschäftigenden. Ein Teil der Werftarbeiter folgte der Aufforderung zur Tat, angeblich um die Sozialisierung der Werke zu erreichen. Wäre einer gekommen, um diesen Kreisen die Unmöglichkeit ihres Verlangens im einzelnen nachzuweisen, er  wäre mit Hohn und Spott bedacht worden, und wenn er mit Engelszungen geredet hätte. Und was ist nun am 23. März erreicht worden? 39 Tote und Verwundete blieben auf der Wahlstatt als zu beklagende Opfer ihrer gewissenlosen Verführer, von denen einer, nämlich der Hauptschreier, Reich, sich gestern nachmittag im Bürgerschaftssaal herumdrückte, wo nur mit Worten geschossen wurde. Herr Reich war sozusagen in der Etappe! Das rote Blut der Arbeiter färbte deutsche Erde völlig nutzlos. Sehen diejenigen, die sich immer wieder von den kommunistischen Aufwieglern vor die Gewehrläufe der Sicherheitspolizei treiben lassen nicht ein. daß man sie als Kanonenfutter in genau derselben gewissenlosen Weise verbraucht, wie das oft genug im Kriege geschehen ist? Die Dinge liegen nicht so, wie im Juni 1920. Damals war Hamburg dem kommunistischen Zugriff wehrlos ausgeliefert. Gestern hat die Polizeitruppe bewiesen, daß sie Ruhe und Ordnung zu schützen vermag. Diese weitergehenden, noch so kühn ausgeheckten Pläne der Volkszeitungsleute zerbrechen an diesem Schutzwall, den die Republik leider hat errichten müssen. Wenn die Vernunft versagt, und blinde Leidenschaften die Oberhand gewinnen, hat der Staat das Recht, sich mit der Waffe in der Hand zu verteidigen und seine Existenz zu schützen.

Dieses Recht läßt sich die Sowjetrepublik am wenigsten nehmen. Der deutsche Staat übt es mit aller Rücksichtnahme aus. Wenn es aber um das nackte Leben geht, ist eine kräftige Abwehr besser als eine zögernde Verteidigung. Die kommunistischen Drahtzieher werden sich nach dem Verlauf des gestrigen blutigen Mittwoch sagen, daß sie in Hamburg auf Granit beißen. Eine Erkenntnis die zur Klärung der Sachlage dienen kann.

* * *

Während auf dem Heiligengeistfelde Sicherheitswehr und Aufrührer Brust an Brust standen, vollzog sich im Bürgerschaftssaal der letzte Akt der hamburgischen Regierungsbildung nach der Wahl 1921. Eine kommunistische Abgeordnete redete zur Einleitung etliche Gemeinplätze über die Rechte des hamburgischen Proletariats. Dann wurde der Wahlakt auf Grund des von den Mehrheitssozialisten und Demokraten beschlossenen Wahlaufsatzes vollzogen. In trauter Harmonie fanden sich Kommunisten, Deutschnationale und Deutsche Volkspartei in der Ablehnung dieses Senates. Um ihrer Mißstimmung nachdrücklich Ausdruck zu geben, blieb dieses merkwürdige Dreigespann auch der Vereidigung der Senatoren fern, die sich eine Viertelstunde nach der Wahl im großen Festsaal des Rathauses abspielte. Es war ein anderes, aber doch ähnliches Schauspiel wie bei früheren Vereidigungen von Senatoren. Das feierliche Amtsornat der Senatoren, das spanische Habit, ist  verschwunden, weniger weil die Revolution es wollte, als die Stoffteuerung. (…)

Seite 3:

Ausnahmezustand in Hamburg und Altona.

Infolge der Bedrohung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch gewissenlose Elemente hat sich der hamburgische Senat veranlaßt gesehen, zur Verhütung weiterer Ausschreitungen über das Gebiet des Hamburger Staates mit Ausnahme des Amtes Ritzebüttel den Ausnahmezustand zu verhängen und die in den Artikeln 114, 115, 117, 118, 123, 124 und 153 der Reichsverfassung festgesetzten Grundrechte vorübergehend außer Kraft zu setzen.

Die vollziehende Gewalt ist dem Polizeiherrn Senator Hense übertragen, der gleichzeitig zum Regierungskommissar ernannt ist.

*

Der Ausnahmezustand ist nicht nur über Hamburg, sondern auch über Altona verhängt worden. Die preußische Staatsregierung hat mit der Bekanntmachung des Ausnahmezustandes, die bereits durch Maueranschlag erfolgt ist, das Polizeiamt Altona beauftragt.

Zum Regierungskommissar ist auch für den Stadtkreis Altona der Hamburger Polizeiherr Senator Hense bestellt worden.

Es wird darauf hingewiesen, daß Ansammlungen strengstens verboten sind und gegen Zuwiderhandelnde von der Waffe unnachsichtlich Gebrauch gemacht wird.


Wahnsinn oder Verbrechen?

Das am Dienstagabend vom Unterbezirk Groß-Hamburg der Vereinigten Kommunistischen Partei Deutschlands verbreitete Flugblatt, in dem die Arbeiter aufgefordert wurden, es nicht mehr bei Resolutionen, Versammlungen und leeren Demonstrationen (bisher waren die allwöchentlichen Demonstrationen doch immer „machtvolle“ und „gewaltige“ Kundgebungen) bewenden zu lassen, hat seine furchtbare Wirkung getan. Etwa 20 Tote und einige Dutzend Verletzte sind das Ergebnis. Moskau wollte Taten sehen. Immer ist man in Petersburg oder Moskau mit dem Rubel sehr freigebig gewesen, aber niemals umsonst. Und so auch jetzt bei den Bolschewismen.

Die gestrige Ausgabe der Volkszeitung leistete sich das Kunststück an Hetzarbeit und verlogener Darstellung der Vorgänge auf den Werften. Ihren Anhängern täuschte sie eine Macht vor. Die nötige Stimmung war erzeugt; der Ruf, endlich zu Taten überzugehen, war nicht ungehört verhallt.

Wir berichteten, gestern bereits über die Vorgänge bei Blohm & Voß, daß die Werft geschlossen und die gesamte Belegschaft entlassen sei. Ähnliche Vorgänge spielten sich auf den anderen großen Werften ab. Doch wurden hier teilweise die Radaumacher von den Arbeitern kurzerhand hinausgeworfen. Aber die Werftleitungen sahen sich durch die Vorgänge ebenso wie Blohm & Voß veranlaßt, die Betriebe auf unbestimmte Zeit zu schließen. Bei der Wiedereröffnung wird sicher wie im Vorjahre eine Sichtung der Arbeiterschaft vorgenommen und die fortgesetzt Unzufriedenen werde draußen bleiben.


Die ersten Toten und Verwundeten.

Nach der Schließung der Werft von Blohm & Voß und nachdem die Belegschaften anderer Betriebe die Arbeit eingestellt hatten, fanden sich auf Steinwärder größere Gruppen von Arbeitern zusammen, in denen aufreizende Reden gehalten wurden. Dies veranlaßte den Senat, den Ausnahmezustand über Hamburg zu verhängen. Nach 8 Uhr zog eine große Anzahl Vulkanarbeiter über den Roßdamm nach dem Elbtunnel. Sie wurden von den Polizeimannschaften aufgefordert, einen andern Weg einzuschlagen. Ein Redner forderte die Menge auf, die Polizeikette zu durchbrechen. Wieder versuchten die Polizeimannschaften zur Vernunft zu reden. Schließlich versuchten die Demonstranten, die Polizeimannschaften zu entwaffnen. Jetzt waren diese gezwungen, von der Waffe Gebrauch zu machen. 4 Tote und 18 Verwundete blieben auf dem Platz. Nun stob die Menge auseinander.

Von anderer Seite — einem Werftschlosser, der dem Heimschutz angehört — wird uns der Vorgang allerdings wesentlich anders geschildert. Nach den Angaben dieses Augenzeugen haben die von ihrer Arbeit heimkehrenden Arbeiter den Weg über die Ellernholzbrücke von den Sicherheitsmannschaften versperrt gefunden. Da sie einen anderen nicht hätten, so verhandelten sie mit dem die Truppe führenden Leutnant, und dieser erlaubte schließlich den Durchzug, beging aber den Fehler, seine Leute nicht aus dem Wege zu nehmen, so daß möglicherweise eine unbeabsichtigte Reibung bei dem Durchzug der Arbeiter im Gedränge entstand. Ohne einen sichtbaren Grund habe plötzlich ein jüngerer Mann der Sicherheitswehr, der dem Augenzeugen schon vorher durch sein unruhiges und aufgeregtes Betragen aufgefallen sei, einen scharfen Schuß abgegeben und eine Handgranate geworfen. Hierauf liefen alle Leute der Sicherheitspolizei, etwa 15 bis 20 Mann zurück und gaben ebenfalls Feuer; sie trafen die Arbeiter, die die Sperre bereits passiert hatten, aber sich noch vor der Brücke befanden. Die Arbeiter liefen fast alle nach der Werft zurück, ein Teil suchte Deckung und passierte die Brücke später einzeln.

Die Hauptkämpfe am Millerntor.

Das Heiligengeistfeld war während des gestrigen Tages in seinem ganzen Umfange mit Stacheldraht abgesperrt und hinter dem Stacheldraht an der Feldstraße, Eimsbüttelerstraße mit einer dichten Schutzmannskette besetzt. Die Kommunisten
hatten die Versammlung — absichtlich? — nicht angemeldet, also wurde sie verboten. Eine Bekanntgabe durch die Zeitungen war nicht mehr möglich, so daß sich gegen 4 Uhr an den Hauptzugangs wegen zum Heiligengeistfeld größere Mengen an. sammelten. Die Glacischaussee war ebenfalls abgesperrt, auch für den Straßenbahnverkehr. Gegen 4 ½  Uhr belebte sich die Eimsbüttelerstraße von heimkehrenden Arbeitern, die schleunigst nach Hause gingen. Aber dann kamen diejenigen, die überall mit dabei sein müssen und vor allen Dingen, wenn
die Sozialisierung praktisch geübt werden soll. So kam es, daß gegen 5 Uhr die Zugangsstraßen zum Millerntor und die Elbanlagen mit einer tausendköpfigen Menschenmenge dicht besetzt waren. Von Steinwärder hallen einige Schüsse herüber. Die Menge schwillt immer mehr an. Einige Panzerautomobile fahren wie zur Warnung langsam durch die Menschenmassen, die schleunigst den Weg freigeben. Auch das Bismarckdenkmal ist dicht besetzt.

Es werden Drohungen gegen die Polizei ausgestoßen, die aber unbeachtet bleiben. Um 5 ½ Uhr wird die Menge aufgefordert, den Platz beim Hochbahnhof Millerntor zu räumen und die Anlagen zu die Anlage zu verlassen. Die Antwort ist das übliche Geheul. Plötzlich wird auf die Polizeimannschaften mit Flaschen, Steinen und Eisenstücken geworfen. Es wird noch einmal zur Räumung des Platzes aufgefordert, ein Schuß aus der Menge ist die Antwort. Ein Wachtmeister sinkt tot zu Boden.

Nun macht die Polizei ebenfalls von der Waffe Gebrauch. Erst ein paar blinde Schüsse, dann

schießen die Panzerautos scharf.

Jetzt ist der Platz im Nu geräumt. Geräumt? Nein, die Sanitätsmannschaften beginnen ihre traurige Arbeit. Etwa

12 Tote und eine ganze Menge verwundeter

sind fortzuschaffen. Über Namen usw. ist bisher noch nichts macht bekannt.

Auch vom Holstenplatz dröhnen scharfe Schüsse herüber. Hier hat es Gottseidank keine Menschenleben gekostet. Es ist bei Verwundeten geblieben. Alle Straßen sind im Nu mit den fluchtenden Menschenmassen angefüllt, über die Stolpernden wird hinweggetreten, so daß auch hier noch zahlreiche Verletzungen entstehen.

Nach der Katastrophe.

Beabsichtigt war, den Krakeel um 5 Uhr beginnen zu lassen, doch wurde dieser Plan im Laufe des gestrigen Tages geändert. Der Hauptschlag sollte beim Eintritt der Dunkelheit geführt werden. Dann sollte die Aufforderung der Volkszeitung, sich Waffen zu verschaffen, im die Tat um gesetzt werden, indem die Sicherheitspolizei angegriffen und ihrer Waffen beraubt werden sollte. Munition scheint man noch zu besitzen. Doch war die Polizei frühzeitig von der Absicht unterrichtet und hatte entsprechende Sicherheitsmaßregeln getroffen. Es kam aber gar nicht so weit. Die für diese Tat ausersehenen Stoßtrupps schienen inzwischen begriffen zu haben, daß

die Zeit der Volkswehr endgültig vorüber

ist. Das — leider notwendige — derbe Zupacken um 5 ½ Uhr beim Millerntor und Holstenplatz nahm selbst den größten Draufgängern den Mut, sich ihre Knochen entzweischießen zu lassen.

Um 9 ½ Uhr wurden die Absperrungen ausgehoben; die Straßenbahnen fuhren wieder wie üblich.

Nun haben ja die neuen Führer der Kommunisten ihre Probe bestanden. Moskau hat seinen Willen. Der Rubel kann wieder im Bewußtsein treu erfüllter Pflicht in die unergründlichen Taschen der Drahtzieher gleiten.

Ob aber die entlassenen Werftarbeiter, die von dem ganzen Radau nichts wissen wollten, sich nicht endlich dazu aufraffen, sich mehr energisch als höflich Ruhe zu verschaffen? Auch gestern wieder hat es sich gezeigt, daß es nur eine Minorität war, die sie der Not und dem Elend ausgeliefert hat. Wir zweifeln nicht daran, daß die der Kommunistischen Partei angehörenden Entlassenen den Lohnausfall von den
Veranstaltern der Tollhauskomödie ersetzt bekommen. Wer ersetzt aber den Tausenden von anderen Arbeitern, die ohne Schuld ihren Verdienst einbüßen, den Lohnausfall?

Heute morgen am Hafen.

Heute morgen sammelten sich auf dem Platz vor den St. Pauli-Landungsbrücken die auf der Werft von Blohm & Voß, der Vulkanwerft und der Deutschen Werft die dort beschäftigt gewesenen Arbeiter in großer Zahl. Anscheinend war der Mehrzahl der Leute die von den Werftleitungen verfügte Entlassung der Arbeiter nicht  bekannt; denn sie waren wie üblich für den Tag mit Lebensmitteln ausgerüstet. Die Leute verließen aber, nachdem der Sachverhalt von den dort ausgestellten verstärkten Polizeiposten mitgeteilt war, den Platz und begaben sich nach Hause. Einige Raisonneure wurden schnell von den Polizeiposten zur Ruhe gebracht.

Auf den übrigen Werften wird gearbeitet.

Die Straßen an der Wasserkante, in denen sich Polizeiwachen befinden, sind in einem Abstand von ca. 100 Meter mit Stacheldraht abgesperrt. Die Drahtverhaue tragen die schon bekannten Schilder mit der Aufschrift: „Hier wird geschossen!“

Der amtliche Bericht.

Der Chef der Ordnungspolizei berichtete gestern amtlich:

„Gegen 3 ½ Uhr nachmittags versuchten etwa 150 Arbeiter der Vulkanwerft über Roßdamm-Elbtunnel in die Stadt zu gelangen. An der Ellernholzbrücke wurde der Aufforderung der Absperrung, in kleinen Trupps durch den Freihafen zu passieren, nicht Folge geleistet. Vielmehr forderte ein Hetzer trotz des Ausnahmezustandes die Menge auf, gewaltsam in geschlossenem Zuge durchbrechen. Als sie sich hierzu verleiten ließ, mußte die Wache von der Schußwaffe Gebrauch machen. Hier hatten die Demonstranten etwa 4 Tote und 10 Verwundete. Dann wurde der Aufforderung, in kleinen Trupps weiter zu gehen, nachgekommen. Ein Teil der Menge zog von Wilhelmsburg-Veddel in die Stadt. Um 4.15 Uhr nachmittags wurde die Werft von aufrührerischen Elementen, die sich hinter Barrikaden zu verteidigen suchten, gesäubert. Die herausgedrängten Aufrührer hatten mehrere Verwundete. Sie zogen durch den Elbtunnel nach dem Millerntor zu. Hier kam es zu einem Zusammenstoß mit der Absperrung. Der Zugwachtmeister Adler der 11. Hundertschaft der kasernierten Ordnungspolizei wurde von rückwärts aus einem Haufe erschossen. Als die Ordnungspolizei daraufhin zur Waffe greifen mußte, traten auf Seiten der Widerstand leistenden Menge schwere Verluste, etwa 16 bis 20 Tote und Verwundete, ein. Kurz darauf ereignete sich am Justizgebäude ein weiterer Zusammenstoß. Hierbei hatten die Demonstranten etwa 6 Verwundete.

6 Uhr 45 wurden die noch in der Vulkanwerft befindlichen Aufrührer herausgedrängt. Verluste traten hierbei nicht ein. Zurzeit ist Stadt und Hafen ruhig.“

Die Toten und die Verhafteten.

Wie jetzt festgestellt worden ist, sind bei den Zusammenstößen am Mittwoch im ganzen 19 Personen erschossen und zahlreiche Personen sehr schwer verletzt worden. Von den Schwerverletzten sind inzwischen im Hafen-Krankenhaus weitere Personen verstorben, so daß sich die Zahl der Toten auf 30 erhöht hat. Im Hafen-Krankenhaus befinden sich jetzt noch 38 Personen, die zum Teil ebenfalls schwere Verletzungen erlitten haben und von denen nach Ansicht der Ärzte noch einige streben werden. Die Toten konnten noch nicht anerkannt werden, da sie meistens ohne Ausweispapiere und zum Teil bis zur Unkenntlichkeit entstellt sind. Das ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, daß sie zu Boden gestürzt waren und dann die Menge rücksichtslos über sie hinwegtrat.

17 Haupträdelsführer

sind verhaftet worden und befinden sich in sicherem Gewahrsam. Sie alle verweigern die Angabe über den Aktions-Ausschuß und gaben nur an, daß sie auf Befehl unbekannter Leute gehandelt haben.

Die Volkszeitung verboten und besetzt.

Durch Verfügung der Behörden ist das weitere Erscheinen der Volkszeitung bis auf weiteres verboten worden. Das Geschäftslokal ist durch Orpo-Leute stark besetzt worden. Der elektrische Strom ist abgesperrt und die Druckmaschinen stehen unter polizeilicher Bewachung, damit dort auch keine anderen Druckschriften fertiggestellt werben können.

Wie die Bestien

hausten die Aufrührer auf der Werft von Blohm & Voß. Der Kriminalbeamte Ziegler, der zur kritischen Stunde in einer Erkundungssache auf Steinwärder zu tun hatte, wurde von einem Mann erkannt. Wie ein Lauffeuer ging der Ruf „Spitzel, Kriminal“ durch die Reihen. Zahllose Leute, meist Burschen zwischen 16 und 20 Jahren, eilten herbei. Ziegler wurde gepackt, zu Boden gerissen und arg mißhandelt. Man riß ihm das Zeug bis auf das Hemd vom Leibe, riß ihm die Schuhsohlen von den Stiefeln führte ihn dann völlig nackend in einen dunklen Raum. Eisen wurde herbeigeholt, mit denen man Ziegler die Füße zusammenband, um ihn ins Wasser zu werfen. In diesem Augenblick erschienen Orpo-Leute und befreiten Ziegler, der recht erhebliche Verletzungen erlitten hat.

Sämtliche Wachen abgesperrt.

Sämtliche Wachen in Hamburg sind durch Drahtverhaue abgesperrt worden und unter verstärkten polizeilichen Schutz gestellt worden. Es sind Schilder angebracht, die die Aufschrift tragen: „Halt, sonst wird geschossen!“ Alle Polizeibeamte sind schon bewaffnet, und es ist Befehl erteilt worden, bei etwaigen Zusammenstößen sofort von der Schußwaffe Gebrauch zu machen. Hamburg ist

auf alles gerüstet.

Die in Neumünster und in Schwerin liegende Reichswehr befindet sich in Alarm für Hamburg und kann mit bereitstehenden Sonderzügen in einer Stunde nach Hamburg geworfen werden. Von Hannover trafen heilte im Automobil zwei Regierungsvertreter hier ein, um sich amtlich über die Vorkommnisse zu unterrichten und Hilfe anzubieten. Nachdem sie mit Senator Hense konferiert hatte fuhren sie sofort nach Hannover zurück.

* * *

spr. Lebensmittelversorgung. 1900 Gr. Brot oder 1750 Gr. Brot und drei Rundstücke. Auf Abschnitt 1 der Lebensmittelkarte 200 Gr. amerikanisches Weizenmehl; auf Abschnitt M der blauen Bezugskarte für Kinder bis zum ersten Jahr 300 Gr. amerikanisches Weizenmehl. 150 Gr. Zucker. Da die Butterbestände geräumt und neue Zufuhren einstweilen nicht zu erwarten sind, muß die Verteilung von Butter einstweilen eingestellt werden. Nährmittel für Kinder: 750 Gr. Weizengrieß oder 500 Gr. weicher bzw. 400 Gr. gerösteter Zwieback auf den Nährmittelabschnitt N der Bezugskarte für Kinder bis zum ersten Jahr, 250 Gr. Weizengrieß auf den Warenbezugsabschnitt H der Kinderbrotkarte.

spr. Die Erwerbslosigkeit in Altona. In der Woche vom 14. bis 19. März betrug die Zahl der unterstützten männlichen Vollerwerbslosen 3119 (Vorwoche 3195), die der weiblichen 502 (502), die Gesamtzahl 8621 (3637). Danach ist ein Rückgang um 76 zu verzeichnen. Im Nachweis wurden 3582 männliche und 859 weibliche Arbeitsuchende gezählt. •

Kommunistische Unruhen in Hamburg.
Etwa 15 Tote, 30 Schwerverwundete.

Was die kommunistischen Führer zweifellos von vorn herein herbeizuführen beabsichtigt hatten, das ist leider Wirklichkeit geworden: Es ist zwischen der Ordnungspolizei und den kommunistischen Stoßtruppen zu schweren blutigen Zusammenstößen gekommen, die Menschenleben gekostet haben. Wir haben gestern abend schon kurz daraus hingewiesen, daß die Kommunisten absichtlich die vorgeschriebene Anmeldung der von ihnen einberufenen Demonstrationsversammlung auf dem Heiligengeistfeld unterlassen hatten, nur weil sie es darauf anlegten, daß Blut fließen sollte!

Im übrigen wollten die Kommunisten diesmal den radikalen Flügel der Erwerbslosen und den radikalen Flügel der Werftarbeiter vor ihren Wagen spannen. Es handelt sich ganz offenbar garnicht um die Erreichung irgendwelcher wirtschaftlichen Ziele — wer das wirklich glauben sollte, mußte schon hoffnungslos naiv sein — sondern es handelte sich ausschließlich um die erste Vorbereitung für eine politische Aktion nach moskowitischem Diktat.

Planmäßig gingen gestern morgen kommunistische Führer auf unsere großen Werften, schmuggelten sich mit den Belegschaften zusammen hinein und versuchten diesen vorzureden, daß für sie jetzt die Stunde gekommen sei, die Werften zu „sozialisieren“; das heißt in diesem Falle nichts anderes, als die Werften unter die Zwangsgewalt der radikalen Führer zu bringen. Es ist damit noch in keiner Weise gesagt, daß die Mehrheiten der verschiedenen Belegschaften mit dem Vorgehen der Ultraradikalen einverstanden waren. Die Kommunisten haben hier aber wieder durch ihr gewalttätiges Vorgehen für den Augenblick die Gewalt an sich gerissen, trotzdem die besonnenen Elemente unter den Werftarbeitern wiederholt sich dem widersetzten. Aehnliche Vorgänge, wie auf der Werft von Blohm & Voß spielten sich auf der Vulkanwerft, der Reiherstiegwerft und der Abteilung Finkenwärder der Deutschen Werft ab: Die Radikalen wollten die Direktionsgebäude besetzen, die Herrschaft an sich reißen und radikale Erwerbslose einstellen. Die Leitungen der Vulkanwerft und der Abteilung Finkenwärder der Deutschen Werft kamen dem zuvor, indem sie schon vorher die Schließung der Werft und die Entlastung der gesamten Arbeiterschaft verkündeten. (Das Nähere ergibt sich aus den Anzeigen in der heutigen Nummer.)

Der erste blutige Zusammenstoß.

Der Chef der Ordnungspolizei teilt mit: Gegen 3 ½ Uhr nachmittags versuchten etwa 1500 Arbeiter der Vulkanwerft über Roßdamm-Elbtunnel in die Stadt zu gelangen. An der Ellernholzbrücke wurde der Aufforderung der Absperrung, in Trupps durch den Freihafen zu passieren, nicht Folge geleistet. Vielmehr forderte ein Hetzer trotz des Ausnahmezustandes die Menge auf, gewaltsam in geschlossenem Zuge durchzubrechen. Als sie sich hierzu verleiten ließ, mußte die Wache von der Schußwaffe Gebrauch machen. Hier hatten die Demonstranten etwa 4 Tote und 10 Verwundete. Dann wurde der Aufforderung, in kleinen Trupps weiter zu gehen, nachgekommen. Ein Teil der Menge zog von Wilhelmsburg-Veddel in die Stadt. Um 4 ½ Uhr nachmittags wurde die Werft von aufrührerischen Elementen, die sich hinter Barrikaden zu verteidigen suchten, gesäubert. Die herausgedrängten Aufrührer hatten mehrere Verwundete. Sie zogen durch den Elbtunnel nach dem Millerntor zu. Feuerwehrleute der Wache 8 verbanden die Schwerverwundeten und ließen sie mit Krankenwagen ins Krankenhaus transportieren.

Kurze Zeit darauf wurde vom Senat der
Ausnahmezustand über Hamburg verhängt.

Uns ging darüber folgende amtliche Mitteilung zu: Infolge der Bedrohung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch gewissenlose Elemente hat sich der Senat veranlaßt gesehen, zur Verhütung weiterer Ausschreitungen über das Gebiet des Hamburger Staates mit Ausnahme des Amtes Ritzebüttel den Ausnahmezustand zu verhängen und die in den Artikeln 114, 115, 117, 118, 123, 124 und 153 der Reichsverfassung festgesetzten Grundrechte vorübergehend außer Kraft zu setzen. Die vollziehende Gewalt ist dem Polizeiherrn Senator Hense übertragen, der gleichzeitig zum Regierungskommissar ernannt ist.

Der zweite schwere Zusammenstoß

ereignete sich kurz vor 6 Uhr in der Nähe des Heiligengeistfeldes. Starke Aufgebote der Polizei hatten mit Last- und Panzerautos und Maschinengewehren den Platz gesichert, der überdies mit Stacheldraht umzogen war. Auch die Glacischaussee war für jeden Verkehr abgesperrt, erst in später Abendstunde konnte die Straßenbahn hier wieder fahren. Trotzdem zogen mehrere tausend Kommunisten heran. Sie bewarfen die Sicherheitsmannschaften und die Autos mit Steinen und kleinen Eisenstücken und versuchten, sie zu entwaffnen. Auch Waffen wurden in der Menge nach den Anordnungen der Führer mitgeführt.

Ueber den Verlauf berichtet der Chef der Ordnungspolizei folgendes: Es kam zu einem Zusammenstoß mit der Absperrung. Der Zugwachtmeister Adler der 11. Hundertschaft der kasernierten Ordnungspolizei wurde von rückwärts aus einem Hause erschossen. Als die Ordnungspolizei daraufhin zur Waffe greifen mußte, traten auf Seiten der Widerstand leistenden Menge schwere Verluste, etwa 16 bis 20 Tote und Verwundete, ein. Kurz darauf ereignete sich am Justizgebäude ein weiterer Zusammenstoß. Hierbei hatten die Demonstranten etwa 6 Verwundete.

Bald darauf zogen die Kommunisten in kleineren und größeren Trupps nach Wilhelmsburg, wo sich in zwischen etwa 5000 ihrer radikalen Genossen versammelt hatten. Von den Führern wurde die Parole ausgegeben, sich bis zum Eintritt der Dunkelheit mit Waffen zu versehen, weil dann der große Angriff beginnen solle. Auch in Hamburg wurde die gleiche Parole ausgegeben. In den Treffpunkten der Kommunisten, in verschiedenen berüchtigsten Kneipen der Altstadt, in den Gängevierteln zwischen dem Steinweg und der Wexstraße versammelten sich die einzelnen moskowitischen Stoßtrupps und Abteilungen, um hier die näheren Befehle zu empfangen. So wurde im Ebräergang von einem sehr elegant gekleideten Herrn an etwa 40 „Kommunisten-Unterführer“, wie sie sich nannten, die Weisung erteilt, nach Eintritt der Dunkelheit ihre Gruppen bewaffnet bereit zu halten, da noch während dieser Nacht die gesamte Ordnungspolizei Hamburgs entwaffnet und die öffentlichen Gebäude und die Zeitungsbetriebe besetzt werden sollten.

Allmählich verschwanden die zweifelhaften Gestalten, die sich anfangs in den Straßen umhergetrieben hatten, immer mehr. Um zehn Uhr abends wieder, nur noch die starken Streifen der Ordnungspolizei zu Fuß, zu Rad und auf den Lastautos, die ununterbrochen die Stadt durchschwärmten, auf die von den Kommunisten angestellten Unruhen hin. Sonst lag alles ruhig da. Immerhin war der Verkehr in den Straßen und den Kaffeehäusern schwächer als sonst. Viele hatten es vorgezogen, im Hause zu bleiben, anstatt in die Gefahr zu kommen, in die Ruhestörungen hineingezogen zu werden.

Bei Schluß der Redaktion war noch nichts von dem eingetroffen, was die kommunistische Parole in Aussicht gestellt hatte. In den Kreisen der Ordnungspolizei rechnete man mit der Möglichkeit von Angriffen in den frühen Morgenstunden.

§ Von den Toten des 23. März, die bisher noch nicht identifiziert waren, sind inzwischen noch folgende Leichen anerkannt worden: Bohrer Paul Steenwärder, geboren am 2. 12. 1898, wohnhaft Thüringerstr. 67; Tapezierer Friedrich Dürner, geboren am 19. 1. 1876, wohnhaft Wiesenstraße 40; Schlosser Otto Emil Richard Ohm, geboren am 20.12. 1878, wohnhaft Sillemstr. 32, Haus 4; sowie Bäckergeselle Alfred Georg Reitz, geboren am 3. 3. 1883, wohnhaft Erichstr. 37, Haus 1. Es konnten bislang 23 Opfer rekognosziert werden, die der Generalstaatsanwalt zur Bestattung freigegeben hat. Die Bestattung der Opfer findet am Mittwoch und Donnerstag auf Wunsch der Angehörigen getrennt statt, da viele der Gefallenen Familiengrabstellen haben.

Neue Hamburger Zeitung, 30. März 1921 – Morgenausgabe

* * *

Und hier nur ein Auszug der Stellungnahme der FAUD bzw. ihrer Wochenzeitung Der Syndikalist vom 30. April 1921:

Der Syndikalist, Nr. 17 – 30. April 1921:

Am 18. März begann die „Rote Fahne“ mit den Aufrufen zur Bewaffnung:

„Ein jeder Arbeiter pfeift auf das Gesetz und er erwirbt sich eine Waffe, wo er sie findet!

(…) Nun war das Geschick im Lauf. Vom Mansfeldischen sprang der Funke nach Hamburg über. Dort gab es sofort reichlich Tote, und wir können uns kein Urteil erlauben, ob dort die „neue Theorie“ auf fruchtbaren Boden gefallen war. Jedenfalls waren die Hamburger Genossen naiv genug gewesen, zu glauben, eine Parteizentrale, die mit dem Aufstand herumfackle, wisse was sie tue und zu glauben, die Zentrale wolle, was sie sage. Sie gingen als „aufs Ganze“. Man sandte ihnen einen expressen Boten, der „bremsen“ sollte. Als der Expresse gebremst hatte, fand man, daß er zuviel gebremst hatte. Man sandte einen anderen Expressen, der die Bremsung bremsen sollte. Als aber der zweite Expresse kam, war die Hamburger Bewegung schon gebrochen. Und damit war die Gesamt“aktion“ im wesentlichen bereits am Ende ihrer Kräfte. Die „Aktion“, die entstanden war in einem Kopf, der zudem keinen blassen Schimmer hat von deutschen Verhältnissen, und die politisch vorbereitet und geführt war von politischen Kindsköpfen, hatte die Kommunisten allein gelassen.

(…)

Wie aber dachte sich die Zentrale das Verhältnis der Kommunisten zu den Massen? (…) Nun hatten sie ihre Toten. In Hamburg und im Mansfeldischen lagen sie. Aber die Situation war von Anfang an so ohne jede Voraussetzung für eine Aktion, dass nicht einmal die Toten die Massen in Bewegung zu bringen vermochten. Man hatte aber noch ein anderes Mittel bereit. In Nr. 133 der „Roten Fahne“ vom Sonntag, dem 20. März, steht ein Artikel mit der Überschrift: „Wer nicht für mich ist, der ist wider mich! Ein Wort an die sozialdemokratischen und unabhängigen Arbeiter.“ (…) Es heißt da am Ende:

Die Rote Fahne, 20. März 1921

Man denke sich: für die unabhängigen und sozialdemokratischen Arbeiter lag in dieser Situation kein Grund zu einer Aktion vor. Der geniale Kopf, der die Aktion ersonnen, war ihnen unbekannt, ein Beschluß der Kommunistischen Partei war für sie kein Ereignis, das sie, ohne dass sie eine Begründung kannten, in eine Aktion riß, und wir vermuten: hätten sie die Begründung gekannt, so würde ihr Wille zur Aktion nicht größer geworden sein. Man verstehe: diesen Arbeitern, die der Aktion völlig verständnislos gegenüberstanden, stellt man als Bedingungen dafür, dass sie mitmachen dürfen, die, dass sie möglichst ihre bisherigen Führer an die Laterne knüpfen. Und für den Fall, dass sie sich dieser Bedingung nicht willig fügen, wird ihnen die Alternative gestellt: „Wer nicht für mich ist, der ist wider mich!“ Eine Kriegserklärung für vier Fünftel der deutschen Arbeiter zu Beginn der Aktion!

(…) Die Zentrale hatte zu entscheiden, was weiter geschah. Sie entschied sich für „Steigerung der Aktion“. Die Aktion, die irrsinnig begonnen war, in der kein Mensch wußte, worum man eigentlich kämpfe, in der die Zentrale – offenbar weil ihr nichts anderes einfiel und weil sie den Kniff für furchtbar klug hielt – zurückgriff auf die Gewerkschaftsforderungen aus dem Kapp-Putsch (!), die Aktion, die Narretei sollte gesteigert werden. Sie war steigerungsfähig. Zu den Toten im Mansfeldischen und Hamburg kamen die Toten von Halle. Auch sie brachten nicht die „Stimmung“. Nach den Toten von Halle kamen die Toten von Essen. Aber die „Stimmung“ blieb aus. Nach den Toten von Essen kamen die Toten von Mannheim. Aber noch immer keine „Stimmung“. Man wird nervös in der Zentrale wegen des Ausbleibens der Stimmung. In dieser Situation dann am 30. März, sprach jenes Zentralmitglied jenen Stoßseufzer aus, daß doch vielleicht in Berlin die Sipo „die Ruhe verlieren“ möge, damit die Arbeiterschaft „gereizt“ werde. (…) Und daneben wurde die Arbeiterschaft, die „gereizt“ werden sollte, in der „Roten Fahne“ weiter „behandelt“. Am selben 30. März 1921 schrieb dieses Blatt folgendes: „Schmach und Schande über den Arbeiter, der jetzt noch beiseite steht, Schmach und Schande über den Arbeiter, der jetzt noch nicht weiß, wo sein Platz ist.“

(…) Was soll man dazu sagen? Da verblaßt auch der Name Ludendorff. Der schickte, die Niederlage sicher vor Augen, Klassenfremde, Klassenfeinde in den Tod. Die aber schickten ihr eigen Fleisch und Blut zum Sterben für eine Sache, die sie selbst schon als verloren erkannt, zum Sterben, damit ihre, der Zentrale Position, nicht gefährdet werde. Wir wünschen den Genossen, mit denen wir selbst lange frohe und trübe Zeit durchlebt haben, keine Buße für das, was sie getan; nur eine Kasteiung mögen sie sich auferlegen, um ihrer selbst und um der Partei willen, in deren Nutzen zu handeln sie wohl glaubten, und das ist: deutschen Arbeitern nicht mehr unter die Augen treten.

• Aus dem Artikel: Paul Levi und die März-Aktion der V.K.P.D., Der Syndikalist, Ausgabe 17 vom 30. April 1921

21. 3.1921
Die KPD proklamiert im Mansfelder Industrierevier den Generalstreik. Mit der „Märzaktion“ soll die Republik gestürzt werden. Es kommt zu schweren Kämpfen mit Regierungstruppen, bei denen auf beiden Seiten 200 Menschen ums Leben kommen. Am 2. April zieht die KPD den Streikaufruf zurück. Nach dem Aufstand treten 400.000 Mitglieder aus der Partei aus, das entspricht der Hälfte aller Mitglieder.

29. 3. 1921

Als Reaktion auf die kommunistischen Streiks in Mitteldeutschland werden außerordentliche Gerichte zur schnelleren Verurteilung der festgenommenen Aufständischen eingerichtet.

https://www.dhm.de/lemo/jahreschronik/1921
Der Unionist – Nr. 13 vom 30. März 1921Das Urteil gegen Karl Roche – 13. April 1921

Das Urteil gegen Karl Roche – 13. April 1921

Die eingerichteten Außerordentliche Gerichte machten kurzen Prozeß. Wir greifen hier nur die Zeitungsmeldungen zur Verurteilung des Genossen Karl Roche für die Unionist-Ausgabe Nr. 13 heraus.

Hamburger Anzeiger, 13. April 1921:

Weitere Aufruhrsachen vor dem Sondergericht.
Kommunistische Flugblätter und Weiterdruck der Volkszeitung.

Wegen Vorbereitung zum Hochverrat haben sich vier Personen zu verantworten: Der Gewerkschaftssekretär der V. K. P. D. Karl Sehnbruch, der Student der Philosophie Werner Heinz Neumann aus Berlin, zurzeit politischer Kommissar der V. K. P. D. Wasserkante, der Buchdruckereibesitzer Albert Friedrich Heil und der frühere Bauarbeiter und jetzige Invalide Karl Roche. Es handelt sich um die Herausgabe aufreizender Flugblätter und den Druck des Unionists, des Organs der „Arbeiterunion“, und um die Fortsetzung der verbotenen Volkszeitung. Der Angeklagte Heil ist Inhaber einer kleinen Druckerei, in der der Unionist gedruckt wird. In der letzten Nummer dieser Zeitung sollen aufreizende Artikel enthalten sein, wofür der Angeklagte Roche verantwortlich gemacht wird, der aber die Verantwortung ablehnt. Er habe lediglich die Manuskripte in die Druckerei gebracht, aber sich um den Inhalt nicht gekümmert. Am Tage vor Ostern druckte Heil im Auftrage der Leitung der V.K.P.D. ein aufreizendes Flugblatt, dessen Inhalt er aber nicht gelesen haben will. Die Polizei bekam Wind von der Sache, besetzte die Druckerei und nahm die Angeklagten Sehnbruch und Neumann, die dort erschienen, in Haft. Sehnbruch, der aus München ausgewiesen ist, war erst ein paar Tage in Hamburg und will nichts gewußt haben. Neumann ist nach Hamburg gekommen und hat sich der V.K.P.D. zur Verfügung gestellt. Er behauptet, eine Fortsetzung der verbotenen Volkszeitung sei nicht beabsichtigt gewesen: er habe sich lediglich um den Druck der in Kiel und Bremen erscheinenden Kopfblätter der Volkszeitung gehandelt, die nicht verboten gewesen seien.

Der Staatsanwalt beantragt die Freisprechung von Sehnbruch und Neumann, gegen die nichts erwiesen sei; gegen Roche und Heil wird Festungshaft von einem Jahre  und von 18 Monaten beantragt. Das Urteil lautet gegen Sehnbruch und Neumann antragsgemäß auf Freisprechung, gegen Roche auf ein Jahr und gegen Heil auf 18 Monate Festungshaft. •

Neue Hamburger Zeitung, 13. April 1921:

Außerordentliches Gericht des Reichs.

Ik. Wegen Vorbereitung zum Hochverrat stehen vor dem Gericht: der Gewerkschaftssekretär Karl Sehnbruch, der Student Werner Heinz Neumann, der Buchdruckereibesitzer Albert Friedrich Heil und der Bauarbeiter Carl Roche. Es handelt sich um die Herausgabe aufreizender Flugblätter und die Fortsetzung der verbotenen Volkszeitung. Der Angeklagte Heil hat eine kleine Buchdruckerei, in der der Unionist, das Organ der Arbeiter-Union, gedruckt wird. Es wurde am Tage vor Ostern von der Führung der V. K. P. D. beauftragt, Flugblätter für Landarbeiter zu drucken, auch verhandelte man mit ihm über den Druck einer Zeitung, die nach der Meinung der Polizei die verbotene Volkszeitung ersetzen sollte. Heil nahm den Auftrag aus geschäftlichen Rücksichten an, politisch hat er nichts mit den Kommunisten und Unionisten zu tun.

Der Angeklagte Roche soll bei diesen Geschäften die Vermittlerrolle gespielt haben. Die Polizei besetzte die Heilsche Druckerei und nahm Sehnbruch und Neumann, die in der Druckerei erschienen, in Haft. Sehnbruch wurde seiner Darstellung nach vom Parteisekretär Behring in die Heilsche Druckerei gesandt, um sich zu erkundigen, ob die Flugblätter fertig seien. Weiter will er von der Sache nichts wissen.

Neumann, ein Berliner Student der Philosophie, ist vor einiger Zeit nach Hamburg gekommen, um sich der V. K. P. D. zur Verfügung zu stellen. Er hatte eine Legitimation als „politischer Kommissar der V. K. P. D. Wasserkante“ bei sich, als er verhaftet wurde. Er bestreitet, daß eine Fortsetzung der verbotenen Volkszeitung beabsichtigt gewesen sei; es habe sich lediglich um den Druck der in Bremen und Kiel erscheinenden Kopfblätter der Volkszeitung gehandelt, die nicht verboten gewesen seien. Dem Roche wird vorgeworfen, daß er in dem Unionist aufreizende Artikel veröffentlicht habe. Er erklärte, daß er für den Inhalt dieser Zeitung nicht verantwortlich gemacht werden könne, er sei lediglich Bote gewesen.

Nach Schluß der Beweisaufnahme beantragt der Anklagevertreter die Freisprechung für Sehnbruch und Neumann, deren Schuld nicht einwandfrei nachgewiesen sei. Heil und Roche müßten bestraft werden, weil sie aufreizende Druckschriften zu verbreiten versucht hätten. Gegen Roche wird ein Jahr Festungshaft, gegen Heil werden 18 Monate Festungshaft beantragt. Das Urteil lautet in bezug auf Neumann und Sehnbruch antragsgemäß auf Freisprechung. Roche trage die Verantwortung für die aufreizenden Artikel des Unionist. Er wird zu einem Jahr Festungshaft verurteilt.

Heil, der aus geschäftlichen Interessen die aufreizenden Druckschriften hergestellt hat, wird zu 18 Monaten Festungshaft und wegen Preßvergehens zu 150 Mark Geldstrafe verurteilt. •

Gerichts-Bericht des Hamburgischen Correspondenten vom 13. April 1921:

Vor dem außerordentlichen Gericht standen ferner der aus Bayern wegen politischer Umtriebe ausgewiesene Gewerkschaftssekretär Karl Sehnbruck, der Student der Philosophie Werner Neumann aus Berlin, der Druckereibesitzer Albert Friedrich Heil und der mehrfach wegen politischer Vergehen [Anmerkung: vornehmlich im Kaiserreich!] bestrafte frühere Bauarbeiter Johann Friedrich Rocke unter der Anklage der Verleitung zum Hochverrat. Bei der Ueberholung der Heilschen Druckerei am 26. März traf die Polizei dort die Angeklagten Neumann, Sehnbruch und Rocke an. Bei der Durchsuchung der Druckerei fand man eine Anzahl Manuskripte hetzerischen Inhaltes für Flugblätter der kommunistischen Partei, sowie für die Arbeiter-Union. Ebenso den fertiggestellten Satz eines solchen Blattes. Alles wurde beschlagnahmt. Man vermutete auch, dass die kommunistischen Schriften zur Fortsetzung der verbotenen Hamburger Volkszeitung dienen sollten. Die Angeklagten Sehnbruch und Neumann erklärten nun, sie hätten durchaus keinerlei Kenntnis von dem Inhalt der zu Heil gebrachten Manuskripte gehabt. Sie seien der Meinung gewesen, dass es zu Kopfblättern für Zeitungen für Kiel und Bremen dienen sollte, die sonst in der Volkszeitung gedruckt wurden.

Heil sagte aus, er habe das Organ der Arbeiter-Union, den ‚Unionist’, gedruckt. Als ihm Rocke das in Rede stehende Manuskript gebracht hatte, habe er es für illegal gehalten. Rocke habe seine Bedenken aber zu zerstreuen gewusst, indem er erklärte, es werde ja nur die Ansicht der Kommunisten, nicht die der Unionisten zum Ausdruck gebracht. Rocke will nur der Bote der Arbeiter-Union gewesen sein und als solcher wiederholt, wie auch am 26. März, mit Heil über einen Druckauftrag verhandelt haben. Nach der Beweisaufnahme hielt Oberstaatsanwalt Hollender eine Vorbereitung zum hochverräterischen Unternehmen seitens der Angeklagten Sehnbruch und Neumann nicht für erwiesen und beantragte deren Freisprechung, aber gegen Heil, der aus Gewinnsucht gehandelt hatte, 15 Monate, gegen Rocke 1 Jahr Festungshaft. Das Gericht erkannte diesen Anträgen gemäß. •

Das hamburgische Börsenblatt – Hamburgischer Correspondent – kann weder das Urteil richtig wiedergeben noch den Namen des Angeklagten Sehnbruch noch den unseres Genossen Roche.

* * *

Uns liegt die inkriminierte Ausgabe Nr. 13 des Unionist vor:

Die Fakten sind sehr mehrdeutig: Karl Roche war zwar Mitglied der Pressekommission der AAU Groß-Hamburg, aber er war nicht für die Ausgabe Nr. 13 des Unionist verantwortlicher Redakteur (gezeichnet war die Ausgabe mit Kurt Meyer, Berlin). Außerdem erschien die Ausgabe definitiv erst nach Ostern, denn die Schlagzeile lautet: „Die Oster-Erhebung des revolutionären Proletariats!“ und greift die Hausdurchsuchung im Büro der AAU in der Straße Kohlhöfen 20 in der Nacht vom 25. auf den 26. März heftig mit einem Offenen Brief an den SPD-Polizeisenator Hense an.

Zudem beweist das Vernehmungsprotokoll der Polizeibehörde, Abteilung II, vom 31. März 1921, dass die „Beschlagnahme der Zeitschrift Unionist Nr. 13 in der Hauptsache erfolgt“ ist. Das Impressum entsprach nach Richterspruch nicht dem Pressegesetz, da die Druckerangabe: „Kommissionsdruck“ und die Verlagsangabe: „Pressekommission der A.A.U. Gross-Hamburg“ „als Firmen nicht anzusehen und auch sicher nicht eingetragen sind“.

* * *

Anmerken müssen wir, dass in der 14. Ausgabe des Unionist vom 8. April 1921 Karl Roche als Verantwortlicher im Impressum aufgeführt ist.

Die Beschlagnahme der 13. Unionist-Ausgabe erfolgte am 30. März, die Hausdurchsuchung des AAU-Büros (Hamburg 3, Kohlhöfen 20) fand am 25./26. März statt. – Der Aufstands- oder Putschversuch fand am 23.  März 1921 statt – Ostersonntag war der 27. März 1921.

Der Gewerkschaftssekretär der KPD, Karl Sehnbruch, ist nicht weiter bekannt geworden; der Student Werner Heinz Neumann ist der spätere Sekretär Ernst Thälmann. Er fällt unter Stalin in Ungnade und wird 1937 liquidiert.  

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Zwei erschossene Unionisten der AAU Hamburg

Die erschossenen Opfer der Unruhe werden in den Todesmeldungen als „Gefallen bei den Unruhen am 23. März 1921“ tituliert … mehr Zynismus geht nicht. Wer mit Infanterie-Munition auf eine Ansammlung von tausenden Menschen schießt, hat nichts anderes vor, als brutalen weißen Gegenterror auszuüben.

Todesanzeige – Der Unionist, Nr. 14 vom 8. April 1921:

Diese beiden getöteten Arbeiter waren Mitglieder der Allgemeinen Arbeiter-Union in Hamburg.

Jonny Meyer, 1902 geboren, Lehrling – Kopfschuss

Quellen:


Der gesamte Artikel ist auch als pdf erhältlich:

Hochgeladen am 11. April 2021 – fm

Der kommunistische Aufbau des Syndikalismus

Franz Barwich (* 1878 in Berlin; † 1955 in Berlin) war von 1919 bis 1924 Mitglied der Geschäftskommission der Freien Arbeiter-Union Deutschlands (FAUD). Einer seiner Arbeitsschwerpunkte war eine theoretische Konzeption der gesellschaftlichen Organisation nach einer erfolgreichen sozialistischen Revolution.

Barwichs Hauptwerk ist die für die »Studienkommission der Berliner Arbeiterbörsen« verfaßte Schrift »Die Arbeiterbörsen des Syndikalismus«, die mit einem Vorwort von Augustin Souchy 1923 in Berlin im Verlag »Der Syndikalist« erschien [erweiterte Neuauflage unter dem Titel »Das ist Syndikalismus«. Die Arbeiterbörsen des Syndikalismus. Mit Texten von Franz Gampe, Fritz Kater, Augustin Souchy u. a. und einer Einleitung von Helge Döhring, Frankfurt/M 2005 (Edition AV)].

Der hier veröffentlichte Text gehört zu den Vorarbeiten dieser Schrift.

Die Vorkriegs-Sozialdemokratie und die ihnen angeschlossenen Gewerkschaften hatten sich sich vor der Frage, wie eine sozialistische Gesellschaft aussehen sollte, weitgehend gedrückt, da der Sozialismus ja quasi ›naturgesetzlich‹ durch die Entwicklung des Kapitalismus kommen müsse – spätestens, sobald die sozialistische Parlamentsmehrheit erreicht sei. Und für die nach dem 1. Weltkrieg von ihr abgespalteten kommunistischen Parteien wurden die Improvisationen, mit denen sich die russischen Bolschewiki seit der sogenannten Oktoberrevolution 1917 an der Macht hielten, nach der Gründung der Kommunistischen Internationale zum leuchtenden (und nicht hinterfragbaren) Vorbild.

Für die Sache des Sozialismus – die Befreiung der Menschheit von Ausbeutung und Unterdrückung – waren beide verheerend.

Über Hildburghausen ins dritte Reich – Gerhard Wartenberg

Wir veröffentlichen diese Broschüre, die unter seinem Pseudonym H. W. Gerhard erschien, als digitalen Reprint in Erinnerung an unseren Genossen Gerhard Wartenberg, der 1942 von den Nazis im KZ Sachsenhausen ermordet wurde. Und weil diese Schrift ihre Aktualität auch heutzutage leider nicht eingebüßt hat.

Reprint der Ausgabe von 1932. Erschienen im Verlag „Der Syndiklaist“ Berlin.

Aus gegebenem Anlaß

I.
Die thüringische Kreisstadt Hildburghausen ist in den letzten Wochen als ein Corona-‚Hotspot‘ in die Berichterstattung gelangt. Und als ein Zentrum von Demonstrationen der Corona-Leugner. Nicht ganz so prominent berichtet wurde über den seit Jahren bestehenden ‚Hotspot‘, den die Stadt für die rechtsextreme Szene darstellt.

II.
Die Stadt geriet schon einmal in die Schlagzeilen, im Jahr 1932, als ruchbar wurde, daß der staatenlose ‚Führer‘ der NSDAP Adolf Hitler – der 1925 seine österreichische Staatsangehörigkeit freiwillig aufgegeben hatte – 1930 durch Ernennung zum Gendarmeriekommissar (Leiter der Polizeidienststelle) von Hildburghausen verbeamtet wurde und damit automatisch die thüringische Staatsbürgerschaft erhalten hatte – was ihm wiederum erst ermöglichte, für ein Staatsamt im Deutschen Reich zu kandidieren (eine Reichsbürgerschaft wurde erst 1934 von den Nazis eingeführt). Eingefädelt hatte dies der thüringische Innenminister und Minister für Volksbildung, Wilhelm Frick (NSDAP), der der ersten unter Beteiligung der Nazis gebildeten Landesregierung in Deutschland angehörte (Baum-Frick-Regierung).

III.
Seit 1925 hatte es verschiedene erfolglose Versuche gegeben, Hitler ‚einzudeutschen‘. Alle wurden peinlichst geheim gehalten. Warum allerdings die Reichsregierung oder andere deutsche Behörden es verabsäumten, den österreichischen, seit 1925 staatenlosen Putschisten (heute würde er wohl zumindest als „Gefährder“, korrekter allerdings als „Terrorist“ bezeichnet werden) des Landes zu verweisen – was nach damaligem Recht durchaus möglich gewesen wäre – ist eine interessante Frage. Eine naheliegende Antwort ist: die offene und verdeckte Komplizenschaft staatlicher Institutionen mit dem ‚völkischen‘ Terroristen.

IV.
In Hildburghausen schien es endlich geklappt zu haben mit der ‚Eindeutschung‘. Angeblich soll Hitler aber die Ernennungsurkunde nach einigen Tagen Bedenkzeit zerrissen haben – „Kreisstadtgendarm“ schien ihm für seine Person nicht bedeutend genug gewesen zu sein – und danach habe auch Frick die von Hitler unterschriebene Empfangsbestätigung vernichtet. Der ‚Führer‘ war damit – zumindest in seinem Selbstverständnis – wieder staatenlos.
Die Geschichte flog im Januar 1932 auf und zog neben einer Spottkampagne in der Presse auch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß des Thüringer Landtags nach sich. Konsequenzen hatte das allerdings nicht.

V.
Die ungeklärte Staatsbürgerschaftsfrage mußte 1932 allerdings endgültig geklärt werden, da Hitler bei der Reichspräsidentenwahl vom 13. März 1932 kandidieren wollte. Abhilfe schuf die Landesregierung des Freistaates Braunschweig, die seit September 1930 von einer Koalition aus bürgerlichen Parteien und den Nazis gestellt wurde. Am 25. Februar 1932 ernannte sie Hitler zum »Regierungsrat beim Landeskultur- und Vermessungsamt« mit Dienstpflicht als Sachbearbeiter bei der Braunschweigischen Gesandtschaft am Lützowplatz in Berlin – einen Posten, den der frisch Gekürte nie antrat. Er hatte schließlich wichtigeres zu tun.

VI.
Dies ist der engere geschichtliche Hintergrund der Schrift »Über Hildburghausen ins dritte Reich!« von Gerhard Wartenberg, die unter seinem Pseudonym H.W. Gerhard im Verlag »Der Syndikalist« der Freien Arbeiter-Union Deutschlands (Anarcho-Syndikalisten) 1932 veröffentlicht wurde, und die wir hier als digitalen Faksimile-Reprint veröffentlichen – in Erinnerung an unseren 1942 von den Nazis ermordeten Genossen Gerhard Wartenberg. Und weil diese Schrift ihre Aktualität auch heutzutage leider nicht eingebüßt hat.

VII.
1981 erschien eine Neuauflage im AHDE-Verlag Berlin/W, die mittlerweile auch nur noch antiquarisch erhältlich ist. Die Herausgeber schrieben seinerzeit dazu:

»Diese anti-nazistische, konsequent demokratische, freiheitlich sozialistische Schrift, kurz vor der Errichtung der NS-Diktatur erschienen (Herbst 1932), konnte nur noch relativ wenige Leser erreichen. Die Schließung des Verlages durch die „Ordnungskräfte“ der im Januar 1933 etablierten NS-Diktatur machte eine weitere Verbreitung unmöglich.

Der Titel der Schrift: „Über Hildburghausen ins dritte Reich!“ spiegelt die „Komödie“ wider, wie sich Adolf Hitler, der Bürger der Republik Österreich, zum Bürger der von ihm gehaßten Weimarer Republik mauserte. Nur so konnte er formaljuristisch ein Staatsamt im Deutschen Reich übernehmen. (…)

Der Verfasser H.W. Gerhard (d.i. Dr. Gerhard Wartenberg, 1904-1942), seit 1922 in der anarchistisch-syndikalistischen Jugend tätig, Mitglied der anarcho-syndikalistischen Gewerkschaft „Freie Arbeiter Union Deutschlands”, 1926 Herausgeber der Zeitung „Der Bakunist“, 1929 halbjähriger Aufenthalt für eine französische Chemiefirma in der UdSSR, Mitarbeiter an verschiedenen anarchistischen und anarcho-syndikalistischen Zeitschriften (u.a. „Der Syndikalist”, Mühsams „Fanal‘) meist unter dem Pseudonym Berg oder Gerhard, wurde 1938 wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt. Anschließend kam er ins KZ-Sachsenhausen. Dort ist er angeblich an Tuberkulose gestorben. Wartenberg war einer der konsequentesten und frühesten Warner vor allen Spielarten des Faschismus und ein entschiedener Gegner jeglicher Form von Staatsherrschaft.

Seine Schrift dokumentiert durch zahlreiche Zitate von NS-Größen die nazistische Gewaltherrschaft in ihren Hauptausdrucksformen, wie sie dann im „Tausendjährigen Reich“ praktiziert wurden.

Wartenbergs Ausführungen über die kommende nazistische Apokalypse ist aber auch zugleich eine Abrechnung mit dem Versagen der sogenannten anti-faschistischen Kräfte/Arbeiterparteien, ihren Fehleinschätzungen, ihrer meist kampflosen Tolerierung der kalten und heißen Machtergreifung.«

Archiv Karl Roche
Hamburg-Altona, 29. Dezember 2020

Literatur:

Felix Durach, Hildburghausen mit Inzidenz über 500: Von der Neonazi-Hochburg zum Corona-Hotspot; in: Merkur (München), 01.12.2020
https://www.merkur.de/politik/corona-hotspot-hildburghausen-neonazis-landrat-demonstration-morddrohung-npd-zr-90116435.html

Manfred Overesch, Die Einbürgerung Hitlers 1930; in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Jg. 40/1992, Heft 4, S. 543 – 566
http://www.ifz-muenchen.de/heftarchiv/1992_4.pdf

Hans-Jürgen Salier, Einbürgerung Hitlers. Von der wundersamen Einbürgerung eines Österreichers in Hildburghausen [zuerst in: Hans-Jürgen Salier und Bastian Salier, Hildburghäuser Lesebuch, Hildburghausen, 1999, S. 153 ff. (Verlag Frankenschwelle KG)]
http://www.schildburghausen.de/sagen/einbuergerung-hitlers/

Robert W. Kempner (Hrg.), Der verpaßte Nazi-Stopp. Die NSDAP als staats- und republikfeindliche, hochverräterische Verbindung. Preußische Denkschrift von 1930, Berlin/W 1983 (Ullstein-TB)

Wikipedia: Einbürgerung Adolf Hitlers
https://de.wikipedia.org/wiki/Einb%C3%BCrgerung_Adolf_Hitlers