Augustin Souchy │ Erich Gerlach
Die soziale Revolution in Spanien
Kollektivierung der Industrie und Landwirtschaft in Spanien 1936-1939
• Dokumente und Selbstdarstellungen der Arbeiter und Bauern
Karin Kramer Verlag, Berlin 1974 – Neuauflage: barrikade, November 2012
Die Streitschrift barrikade wird fast vierzig Jahre nach seiner Erstveröffentlichung durch den Berliner Karin Kramer Verlag, diese eindrucksvolle Dokumentation von Erich Gerlach (Übersetzer) und Augustin Souchy neu herausgeben. Dies scheint uns umso dringender, weil die Leistungen der Spanischen Revolution vielen jüngeren Genossinnen und Genossen kaum oder gar nicht bewusst sind und scheinbar auch in Vergessenheit geraten. Das wäre fatal und ein weiterer Grabstein auf die Errungenschaften der bisher einzigartigen sozialen Revolution, die die Arbeiterselbstverwaltung durchsetzen konnte.
Anhand der übersetzten Dokumente – die Augustin Souchy, deutscher Anarchosyndikalist, Mitglied der FAUD und des IAA-Sekretariats sowie direkter Begleiter der Revolution nicht nur in Barcelona (1) – wird schnell deutlich, mit welchen Problemen eine kollektivierte Ökonomie konfrontiert wird, die zeitgleich in offener Schlacht dem putschistischen Militär unter Franco die Stirn bieten musste.
Den Bürgerkrieg mussten die Revolutionäre (männlich wie weiblich) auch gegen das Trommelfeuer deutscher und italienischer Faschisten standhalten, den Hitler und Mussolini nutzten den Aufstand der proletarischen Bevölkerung gegen den faschistischen Putsch der spanischen Generäle, um ihre Militärmaschinerie (Flugzeuge und Panzer) mit „freiwilligen“ Legionären (Legion Condor) zu erproben – damit hatte „Rotspanien“, das in der Arbeiterbewegung mehrheitlich überaus eindeutig ein „Schwarzrotes Spanien“ war, keine echte Chance. Zumal die sowjetischen Helfershelfer Waffen nur gegen Gold und politischen Einfluß lieferten und die Stalin treu ergebenen Kommunist/innen an der Front und im befreiten Hinterland ihren Kampf gegen „Trotzkisten und Anarchosyndikalisten“ von POUM und CNT-FAI-FIJL-Mujeres Libres mit eigenen Geheimdiensten bis aufs Messer fortsetzten (wie im nachrevolutionären Russland auch), um die soziale Revolution zu ersticken und sich als Retter einer maroden bürgerlichen Demokratie zu feiern.
August Souchy dokumentiert in diesem Buch auch eine andere Sichtweise: Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, Lohnerhöhungen, Überstundenverbote, Selbstverwaltungsstrukturen und die wichtigsten Beschlüsse des Nationalen Wirtschaftsrates der CNT von 1938. An diesen Dokumenten wird deutlich, wie vielschichtig eine soziale Umwälzung ist und wie konsequent die spanischen Genossinnen und Genossen die Probleme angegangen sind.
• Eventuelle Überschüsse gehen in weitere Buchprojekte und die Herausgabe der Streitschrift barrikade. Wir danken dem Karin Kramer Verlag ganz herzlich für die Zusammenarbeit und die Zusage zur Herausgabe dieser Neuauflage. [fm, 18. Juli 2012]
Verkaufspreis: 10 €
Lieferung erfolgt portofrei gegen Rechnung.
Auflage: 400 Exemplare * Umfang: 184 Seiten A5 mit diversen Abbildungen, farbiger Umschlag, neuer Satz.
Email mit Lieferanschrift an: barrikade [kringel] gmx.org
Zum Inhalt:
Erich Gerlach kommentierte die Texte in seiner Einleitung:
»Die beiden hier erstmals einer deutschen Leserschaft zugänglich gemachten Schriften „Collectivisations“ und „Acuerdos del Pleno Económico Ampliado“ wurden während des spanischen Bürgerkrieges veröffentlicht. Aus heutiger Sicht sind sie zweifach wichtig. Sie zeigen erstens, daß der spanische „Bürgerkrieg“ zugleich eine tiefgreifende soziale Revolution war, nicht aber, wie die Moskauer Schule des Kommunismus behauptet, eine „nationalrevolutionäre Befreiungsbewegung“ in den Grenzen einer bürgerlich-demokratischen Revolution und auch nicht, wie Liberale und Sozialdemokraten meinen, ein bloßer Kampf zur Verteidigung des Parlamentarismus gegen die faschistische Konterrevolution und zweitens vermitteln sie uns ein von den herrschenden „marxistischen“ und staatssozialistischen Auffassungen radikal verschiedenes Modell der Arbeiterbewegung und des Sozialismus.«
Augustin Souchy schreibt in seinem Vorwort:
»Einige Wochen vor Ausbruch des Bürgerkrieges war ich zu einer Vortragsreise nach Spanien gekommen. Diesem Zufall hatte ich es zu verdanken, daß ich in der historischen Nacht vom 19. bis 20. Juli und die darauf folgenden Tage auf den Straßen von Barcelona an der Seite der spanischen Kämpfer stand. 30 Monate hindurch widmete ich alle meine Kräfte der Sache der Arbeiter und Bauern Spaniens, bis ich, im Januar 1939, einen Tag vor Barcelonas Fall, die Stadt fluchtartig verlassen mußte.
Aus dem Abwehrkampf gegen die Militärputschisten hatte sich eine Revolution entwickelt, eine profunde soziale Revolution. Die Anarchisten begnügten sich nicht mit der bloßen Verteidigung der Formaldemokratie, sie gingen in allen Landesteilen, wo es ihnen gelungen war, den Putsch niederzuschlagen, zum Gegenangriff über. Ihrer Meinung nach konnten die Übel des Militarismus und die Gefahr des Faschismus nur durch Errichtung einer freiheitlich sozialistischen Gesellschaftsordnung beseitigt werden. Von dieser neuen und freien Ordnung hatten sie freilich andere Vorstellungen als die Sozialdemokraten und Kommunisten. Sie erwarteten die Lösung der sozialen Probleme nicht von der Gesetzgebung, sie wollten von der staatlichen Verwaltungswirtschaft nach russischem Modell nichts wissen, und sie verwarfen auch die sogenannte Diktatur des Proletariats. Der private Großgrundbesitz und die privaten Wirtschaftsunternehmungen sollten, nach ihrem Konzept, nicht verstaatlicht, sondern von den Beschäftigten selbst gemeinsam verwaltet werden. Diese Theorie wurde in der zweiten Julihälfte und den darauffolgenden Wochen und Monaten in die Praxis umgesetzt.
Es begann in Barcelona. Die Putschgeneräle waren inhaftiert, die Eigentümer und Manager der großen Unternehmungen geflüchtet. In Übereinstimmung, mit ihrem seit Jahren auf Kongressen und Konferenzen ausgearbeiteten Programm nahmen die militanten Gewerkschafter die Verwaltung der im Privatbesitz befindlichen Verkehrsunternehmungen, der Kraft- und Wasserwerke sowie der privaten Industrieunternehmungen in ihre Hände. Arbeiter, Techniker, Ingenieure und Verwaltungsangestellte bildeten ein gemeinsames Arbeitskollektiv. Die Erhöhung der Löhne um 15% konnte durch Einsparung der Dividenden und Rationalisierung des Arbeitsprozesses ohne Preissteigerung finanziert werden. Die Entfremdung des Lohnempfängers von seinem Werk war im Kollektivbetrieb überwunden, das Interesse an der Produktivität gestiegen, denn nun war der Arbeiter mitbestimmender Kollektivist.«
Und das sagte die CNT:
»Diese Probleme, um die sich niemand kümmert, weil der von der CNT vorgeschlagene nationale Wirtschaftsrat, in dem die beiden großen Gewerkschaften CNT und UGT und die Regierung vertreten sind, noch nicht gebildet wurde, werden wir von uns aus sofort zu lösen versuchen. (…)
Das Wichtigste ist anzufangen. Wir sind uns der Vielfalt der Schwierigkeiten und Hindernisse, die sich vor uns auftürmen, bewußt, aber wir sind sicher, daß wir alle Schwierigkeiten überwinden und das Mögliche erreichen werden. Fangen wir an. Mögen einige unserem Beispiel folgen und bei der praktischen Demonstration unserer Studien und Beschlüsse ihren Irrtum erkennen und sich überzeugen, das Vieles getan‘ werden kann. Wiederholen wir: das Wichtigste ist anzufangen. Und die CNT fängt an.«
INHALT
ERICH GERLACH
Zu den Texten …………………………………………………………………………….. 11
Aufbau einer neuen Gesellschaft …………………………………………………….. 13
Historischer Hintergrund ……………………………………………………………… 13
Der Einfluß Bakunins ……………………………………………………………………. 14
„Realistische“ Syndikalisten und „reine“ Anarchisten …………………………. 18
Die Entwicklung der Organisationsprinzipien der CNT ……………………..… 20
AUGUSTIN SOUCHY
Warum und wie dieses Buch entstand (1973) … 30
Vorwort zur „Kollektivierung“ (1937) … 34
Großkapital, Militär und Klerus … 38
Sozialisierung und Kollektivierung … 40
Die Schwierigkeiten … 42
Kollektiver Kapitalismus … 43
Reservefonds, Kurzarbeit und Rationalisierungen … 43
Sozialisierung – nicht Nationalisierung … 44
II.
Enteignung? …………………………………………………………………… 44
Kollektivierung von Grund und Boden … 46
III.
Handel und Konkurrenz … 48
IV.
Die Banken …………………………………………………………………….. 49
Die Lebensmittelversorgung … 49
V.
Weg der Kollektivierung … 50
Vorwort des CNT Verlages zur zweiten Auflage der „Kollektivierung“ … 54
Einleitung des CNT Verlages (1937) … 55
Kollektivierung der Industrie und Landwirtschaft … 56
Erster Teil
Die neue kollektive Wirtschaft
I. Dekret zur Kollektivierung
a) Kollektivierte Unternehmen
b) Der Betriebsrat …57
c) Das Kontrollorgan in den Privatunternehmen … 60
d) Die Generalräte der Industrie … 61
e) Industrielle Gruppierungen … 62
f) Industrielle Verpflichtungen
II. Skizze der katalanischen Wirtschaft … 66
Zweiter Teil
Die kollektive Arbeit innerhalb der Industrie
I. Die Transportunternehmen … 68
II. Die Textilindustrie … 81
a) Ihre Struktur
b) Struktur der kollektiven Organisation in der Textilindustrie … 83
c) „Industrielles Spanien“ – eine kollektivierte Fabrik … 93
III. Verschiedene Industriezweige
a) Die Hispano-Suiza Werke … 102
b) Die Industrie optischer Gläser hat ihren Ursprung in der Revolution …103
c) Die CAMPSA von Katalonien wird kollektiviert … 107
IV. Die Lebensmittelversorgung … 109
V. Öffentlicher Dienst … 116
VI. Das Handwerk … 128
VII. Landwirtschaft … 132
Dritter Teil
Die Kollektive in den katalanischen Provinzen … 141
Die Beschlüsse des erweiterten nationalen Wirtschaftsplenums 1938 …185
An die Gewerkschaften … 186
Einsetzung von Arbeitsinspektoren …190
Beschluß über die Arbeitsvergütung … 191
Beschluß über die Gründung der Gewerkschaftsbank … 194
Gründung einer gewerkschaftlichen Verwaltungsstelle für Versicherungen … 197
Koordinierung, Kontrolle und Ausrichtung der CNT-Organe,
die mit Versicherung und sozialer Fürsorge beauftragt sind oder sie von sich aus betreiben … 201
Resolution des erweiterten nationalen Plenums … 204
Korrespondenten, Bulletins, Zeitschriften … 207
Ausbau der Verbraucher-Genossenschaften … 208
Wirkungsvolle Planung der Industrie … 210
Zentralisation der Verwaltung der Wirtschaft der CNT ……………………..… 157
Zentralisation der Verwaltung einer nationalen Industrieföderation …..… 157
Die Bildung der verschiedenen Räte für Technik, Verwaltung und Statistik … 159
Die Wirtschaftsräte … 218
Allgemeine Arbeitsregeln …………………………………………………………….… 162
Schlußbetrachtung ……………………………………………………………………..… 170
Karl Korsch
Die Kollektivierung in Spanien ……………………………………………………….. 172
Index ……………………………………………………………………………………….… 178
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(1) siehe dazu sein jetzt erst in der Edition AV erschienenes Buch „Bei der Landarbeitern in Aragon – Der freiheitliche Kommunismus in den befreiten Gebieten“, Lich 2012
http://www.edition-av.de/